Die Wucht der Bilder
2. März 2024
Eine Zeitreise mit John Heartfield: Einblicke in eine neue Animationsdoku
»Ich musste das wahre Gesicht des Faschismus zeigen, mit Bildern der Lüge in die Fresse schlagen«, erklärt der Nazigegner und Erfinder der politischen Fotomontage John Heartfield. Die Regisseurin und Grimme-Preisträgerin Katrin Rothe erweckt in dem Anfang 2024 erschienenen dokumentarischen Animationsfilm den antifaschistischen Visionär in Form einer kleinen, sprechenden Pappfigur auf spielerische Art und Weise zum Leben und erzählt chronologisch seine Biografie nach.
Geboren 1891 in Berlin-Schmargendorf, nennt sich Helmut Herzfeld 1916 aus Protest gegen den englandfeindlichen Nationalismus im Deutschen Kaiserreich John Heartfield. Noch während der Gründungskonferenz der KPD im Dezember 1918 tritt er in die Partei ein, sein Parteibuch soll er von Rosa Luxemburg persönlich erhalten haben. In den Folgejahren macht sich Heartfield als politischer Fotomonteur einen Namen. 1929 erscheint sein mit Kurt Tucholsky verfasstes, bis heute bekanntes Buch »Deutschland, Deutschland über alles«. Ab 1930 arbeitet er für die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (AIZ), nebenher entwirft er unter anderem Plakate für die KPD.
Heartfields Lebensabschnitte werden im Film anhand animierter Sequenzen gezeigt, die sehr gelungene und kreative Höhepunkte des Films darstellen. Sie sind eingebettet in Dialoge zwischen Heartfield und der Grafikerin Stephanie (gespielt von Stephanie Stremler), die die Zuschauenden immer wieder in die Gegenwart holen. Stephanie steckt in einer Schaffens- und Sinnkrise und nutzt eine Auszeit von ihrem Job, um sich mit dem Leben von Heartfield auseinanderzusetzen. Dabei stellt sie sich immer wieder die Frage, was sie tun kann, um mit ihrer Arbeit – wie Heartfield – gesellschaftliche Veränderung zu erzielen.
Denn genau darin war Heartfield ein Meister – seine Werke wie »Der Sinn des Hitlergrußes: Kleiner Mann bittet um große Gaben« – erlangten große Bekanntheit, und er prägte dadurch die politische Welt der Vorkriegsjahre. Aber auch weniger bekannte Aspekte von Heartfields Leben werden im Film aufgegriffen, zum Beispiel wie er sich mit seiner Gestaltung eines KPD-Wahlplakates für die Reichstagswahl am 20. Mai 1928 – »Fünf Finger hat die Hand, mit fünf Fingern packst du den Feind« – mit einer Genossin gegen den Parteivorsitzenden Ernst Thälmann und die traditionalistische Parteilinie durchsetzen musste und so als Künstler schon immer eine gewisse Außenseiterrolle einnahm. Oder wie er 1931 ein Jahr in der Sowjetunion verbrachte, als sogenannte schöpferische Brigade. »Ich habe Rotarmisten Fotomontage beigebracht«, erklärt der Papp-Heartfield.
1933 bricht die SS in sein Haus ein, nur durch einen Sprung aus dem Fenster gelingt ihm die Flucht. Heartfield entkommt nach Prag, wo dann wöchentlich seine Fotomontagen gegen das Hitlerregime erscheinen. Seine besten Bilder entstehen in der tschechoslowakischen Hauptstadt, er arbeitet dort manisch, »der Hass seiner Feinde macht ihn produktiv«, beschreibt es einer seiner Weggefährten im Film.
Im Frühjahr 1934 gibt es einen offiziellen Einspruch der Hitlerregierung gegen eine Ausstellung von Heartfield in Prag wegen »Verunglimpfung des Bildes des Führers«. Der Einspruch beschert dem Kunstverein einen Besucherrekord. Auf der Liste der meistgesuchten Personen des Hitlerregimes in Prag steht Heartfield nun ganz oben. Im November 1934 wird er von den Nazis ausgebürgert und ist von da an staatenlos. 1938 flieht Heartfield nach England und bleibt dort bis zum Ende des Krieges.
Neben einer Erzählung über Heartfields Leben ist »Johnny & Me« auch eine Erzählung über den Stellenwert von Kunst in der politischen Kultur. Anders als erwartet, wird Heartfield, als er 1950 nach Deutschland zurückkehrt und nach Empfehlung seines Bruders in die DDR geht, nicht mit offenen Armen empfangen. Aufgrund seines Exils in England wird ihm mit Skepsis begegnet. »Alle die nicht aus Moskau kommen, sind verdächtig«, wird im Film ein Mitglied der Zentralen Parteikontrollkommission zitiert. Im Rahmen der zur selben Zeit gestarteten Formalismusdebatte in der DDR wird seine Kunst abgelehnt. Ebenjene Kontrollkommission entscheidet 1951, dass Heartfield, trotz seines Gesuches, nicht in die SED aufgenommen wird. Kurz darauf erleidet er einen Herzinfarkt.
Nachdem er sich von seinem Herzinfarkt erholt hat, nimmt er 1954 seine Arbeit wieder auf, wird 1956 Mitglied der Akademie der Künste und im selben Jahr schließlich in die SED aufgenommen. Er erhält auch die Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus.
»Johnny & Me« ist ein etwas pathetischer Film, und die Dialoge zwischen Stephanie und Heartfield wirken im Film teils sehr bemüht, sie ziehen den Film unnötig in die Länge. Aber er lohnt sich für alle, die mehr über Heartfields Leben, seinen unerbittlichen Kampf gegen die Nazis und seine Erfahrungen mit Repression nach dem Ende des deutschen Faschismus erfahren wollen. Besonders schön fies dargestellt sind die Figuren der Zentralen Parteikontrollkommission, Genossin Steffel und Genosse Jobst, die jeden Anlass suchen, um Heartfield das Leben schwer zu machen. Denn sie wissen: »Wenn ein Bild einmal in der Welt ist, ist es schwer aus den Köpfen wieder rauszubekommen.« Und das hat Heartfield schon früh verstanden.