Großdemos gegen rechts

geschrieben von Red.

2. März 2024

Auf antifaschistischen Werten beharren

Seit dem 12. Januar wird in Deutschland wieder massenhaft gegen rechts demonstriert. Allein am Wochenende 20./21. Januar waren es laut Campact rund 1.500.000 Menschen in fast 100 Städten und Dörfern. Ausgelöst wurde diese Demowelle, die auch weiter anhält, durch die veröffentlichten Recherchen über ein Treffen von Neonazis und Rechtskonservativen Ende November 2023. Deren Planungen zu rassistisch motivierten Vertreibungen sowie zur Schwächung demokratischer Verfahren und die Breite der Akteur:innen, die daran arbeiten, wurden einer breiteren Öffentlichkeit jetzt erst offenbar (siehe Seiten 8 und 9). Auch die um sich greifenden Sorgen wegen AfD-Wahlerfolgen bei den kommenden Landtagswahlen und der Chancen auf Regierungsbeteiligungen im Bündnis mit CDU und FDP treiben die Menschen auf die Straße. Das Potsdamer Treffen war nur der Auslöser, um der grundsätzlichen Unzufriedenheit mit dem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft, Ausdruck zu verleihen.

Die Proteste haben sich nun schon mehrere Wochen gehalten. Was zunächst nach einem urbanen Phänomen aussah, etablierte sich in kleineren, mittelgroßen Städten wie Metropolen, in rechten Hochburgen wie auch in alternativ geprägten Gegenden. Es hinterlässt bei den Rechten, die sich schon in den Rathäusern sahen, das Gefühl der Schwäche und bringt sie aus dem Konzept. Es demonstrieren aktuell Gewerkschafter:innen ebenso wie Mitglieder von Kirchen, Migrant:innenvereinen, namhaften Sportvereinen und Ikonen wie Helene Fischer neben Anhänger:innen der Klimaschutzbewegung sowie antifaschistischer und antirassistischer Organisationen.

Demo in Hamburg am 19. Januar 2023. Foto: R-Mediabase

Demo in Hamburg am 19. Januar 2023. Foto: R-Mediabase

Anders als beim »Aufstand der Anständigen« – der von der Schröder-Regierung im Jahr 2000 als Reaktion auf den Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge eher von oben initiiert war –, haben wir es diesmal vielmehr mit einer Bewegung von unten zu tun. Diese zeigt sich lokal höchst unterschiedlich. Vielerorts spülte sie Menschen in die Vorbereitungskreise von Demonstrationen, für die politisches Engagement absolutes Neuland ist. In anderen Orten waren es gewachsene Strukturen, wie Fridays for Future, Sozial-verbände oder der DGB, die als Organisator:innen auftraten. Die Ablehnung der AfD und der Einsatz für eine weltoffene Gesellschaft bestimmen Transparente, die skandierten Parolen, Redebeiträge und die vielen selbstgefertigten Schilder.

Ebenso war zu beobachten, dass bei zahlreichen Organisator:innen nicht in Vergessenheit geraten ist, welche Mitverantwortung CDU, SPD, FDP und Grüne für das Erstarken der AfD und den gesellschaftlichen Rechtsruck tragen – Stichwort Abschiebepolitik auf deutscher und auf EU-Ebene. Denn was nutzen demokratische Floskeln, wenn sich die Politik nicht daran als Richtschnur -orientiert, sondern nur noch am Grad des mehr oder weniger brutalen Nationalismus unterscheidbar ist. Genau darin liegt jetzt die Aufgabe von Antifaschist:innen: auf den Demos gleiche Freiheit für alle einzufordern, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und die Demokratie nicht nur zu verteidigen, sondern sie auszubauen. Dazu gehört auch, die Organisationen zur Durchsetzung solcher Ziele zu stärken und den Demohype als Aufmerksamkeitsbeschaffer für diese Arbeit zu nutzen. Um wirkmächtig beim Kampf um gesellschaftliche Alternativen zu sein, die nicht von »Volksgemeinschaft«, sondern Solidarität bestimmt sind, braucht es gute Konzepte und viele neue Verbündete. Und die finden sich gerade ausnahmsweise auf der Straße.