Eine standhafte Frau
27. April 2024
Regina Elsner ist tot
Anfang März mussten wir schweren Herzens Abschied nehmen von einer ganz und gar bemerkenswerten Kameradin: Regina Elsner ist tot. Am 25. Februar endete ein Leben, das zu großen Teilen im Zeichen der VVN-BdA stand.
Das Erste, was ich mit Regina verbinde, ist: Haltung. Haltung zeigen, standhaft sein, nicht zurückweichen.
Regina Elsner war für mich im besten, in einem linken Sinne die Verkörperung einer linken Bürgerlichkeit. Als stolze Bürgerin von Hoyerswerda war ihr immer bewusst, dass damit eine Verantwortung für diese Stadt und die Menschen verbunden war. Aber ihre innere Haltung und ihr Stolz auf das Erreichte waren nie verbunden mit einer engstirnigen Sicht auf die Welt, die am Ortsschild endet und nicht sehen kann, dass es hinter dem Tellerrand ebenso wichtiges gibt. So wurde sie eine Frau, die auf ganz unterschiedlichen Ebenen aktiv war. Jahre, Jahrzehnte gestaltete sie auf Bundesebene die VVN-BdA mit, führte den Landesverband ebenso mit starker Hand wie ihre Ortsgruppe in Hoyerswerda. Letzteres bis zuletzt, und am liebsten hätte sie es wohl noch vom Krankenbett aus weiter getan.
Haltung habe ich bei Regina auch politisch immer vorgefunden. Auch da war sie unverrückbar und konsequent: Antifaschistin! Links! Humanistin! Haltung bedeutete hier, an die eigenen Prinzipien keine Luft zu lassen. Prinzipien sind nichts wert, wenn man sie bei erstem Gegenwind fallen lässt.
Womit ich bei der zweiten Sache wäre, die ich mit Regina Elsner verbinde und die mir in Erinnerung bleiben wird. Es ist ein Satzanfang, eine Wortgruppe. Ich habe ihn oft von ihr gehört: »Ja, Silvio, aber ist es nicht so …« Denn mit Regina zu debattieren war kein Zuckerschlecken. Man konnte eigentlich nicht gewinnen. Selbst wenn man ein wirklich gutes, stichhaltiges Argument angebracht hatte, fand sie stets einen Weg, meist mit eben jenem Satzanfang, doch als Recht Behaltende aus der Diskussion zu gehen. Weil sie wie kaum jemand anderes die Kunst perfektioniert hatte, die Argumente des Gegenübers aufzunehmen und für das eigene Anliegen, den eigenen Standpunkt zu nutzen.
Die dritte Sache, die ich mit Regina Elsner verbinde, ist ein ganzes Projekt, vielmehr ein Lebenswerk und ein Vermächtnis. Es ist, bleibt und wird weiter mit dem Namen Regina Elsner verbunden werden. Sie war die Mutter dieses Projektes. Die Ideengeberin. Die Visionärin, aber das hätte sie so nicht stehenlassen. Sie hätte es eher so beschrieben: Sie hat die Notwendigkeit erkannt, dass etwas getan werden musste, und war so lange hartnäckig, bis es getan wurde. Gemeint ist natürlich das Projekt »Wider das Vergessen«.
Man kann das nicht oft genug betonen, und deshalb tue ich es bei jeder Gelegenheit: Ein solches Projekt mag unspektakulär klingen und eigentlich nach etwas, dass es vielerorts gibt oder geben sollte. Zunächst Zeitzeugen, heute deren Kinder, berichten aus erster und zweiter Hand über die Zeit von 1933 bis 1945 anhand ihrer persönlichen Schicksale bzw. der ihrer Eltern. Sie berichten darüber, wie es so weit kommen konnte, welches Leid sie erfuhren, welche Kämpfe sie gekämpft haben. Und Generationen von Schüler*innen aus Hoyerswerda hörten zu. Aber die Schüler*innen hören nicht nur zu, sie werden selbst aktiv. Sie werden Akteure in der Erinnerungsarbeit.
Die Summe all dessen macht »Wider das Vergessen« aus. Und macht es deswegen so einzigartig. Deswegen und wegen der Kontinuität, mit der es Jahr für Jahr durchgeführt wird. Der Ausgangspunkt war das Pogrom 1991 in Hoyerswerda. Regina hat immer beschrieben, wie entsetzt sie darüber war und dass es ihr ein Herzensanliegen war, der rechten Ideologie den Raum zu nehmen. Sie wusste, dass sie dafür in die Köpfe der jungen Menschen musste und sie davor bewahren, auf die Lügen von rechts hereinzufallen. Dafür wurde »Wider das Vergessen« das Vehikel.
Eine Einstellung, ein Satzanfang, ein Projekt. Das umreißt ein Leben nicht mal im Ansatz. Oft fragt man sich zu Lebzeiten, was eigentlich bleibt, wenn man mal nicht mehr sein wird. Ob und wer sich erinnert. Regina hat zeitlebens dafür gekämpft, dass wir uns erinnern. Insbesondere an diejenigen, die von den Nazis nicht nur millionenfach ermordet oder gefoltert wurden und von denen uns Hitler sowie seine Schergen auch jegliche Erinnerungen nehmen wollten. Weil nur das Erinnern ihrem Leid und Tod noch irgendeinen Sinn geben kann. Der Schwur von Buchenwald war die Maxime, die Reginas Leben geprägt hat. Ihn zu ehren und weiter mit Leben zu erfüllen ist der beste Weg, damit ihr Leben und ihr Wirken auch in der Zukunft in Erinnerung bleibt und unvergessen ist. So wie Regina Elsner es für die VVN-BdA sein wird.
Silvio Lang ist erster Sprecher der VVN-BdA Sachsen. Der Beitrag basiert auf einer Rede, die er auf der Trauerfeier nach der Beerdigung von Regina Elsner am 22. März in Hoyerswerda gehalten hat.