Denkbar schlechtes Urteil
27. April 2024
Neues im Verfahren zwischen sächsischer VVN-BdA und Hentschke Bau
Am 5. April verkündete das Landgericht Dresden das Urteil im vielbeachteten Verfahren Hentschke Bau/Jörg Drews gegen die VVN-BdA Sachsen (siehe antifa-März-/Aprilausgabe). Die Landesvereinigung ist Trägerin eines Recherchekollektivs. Wie leider zu erwarten war, fiel das Urteil aus unserer Sicht denkbar schlecht aus. Der Klägerseite wurde in allen Punkten Recht zugesprochen, womit – sollte das Urteil rechtskräftig werden – eine weitere Verbreitung jeglicher beklagter Aussagen untersagt ist, die bisherigen Publikationen zu löschen/zu beseitigen sind, die Prozesskosten zu tragen und ein Schadensersatz in Höhe einer niedrigen vierstelligen Summe zu leisten wäre.
Die Urteilsbegründung allerdings wirft zahlreiche Fragen auf: So ignoriert der Richter bewusst die vollkommen unglaubwürdigen – noch dazu durch weitere Dokumente widerlegten – Aussagen der Zeugen der Klägerseite, weil es auf die nach seiner Lesart nicht ankommt. Schon an sich eine merkwürdige Rechtsauslegung. Vielmehr aber wertet er die Zeugenaussage von Prof. Decker, Leiter des Else-Frenkel-Brunswick-Instituts der Uni Leipzig, als nicht überzeugend. Sie sei nur vom Hörensagen (was stimmt), durch eigene Interessen beeinflusst, und zudem könne er sich weder auf Wissenschafts- noch journalistische Freiheit berufen. Es stellt sich die Frage, was denn dann?
Als Fazit bleibt, dass die negativen Erwartungen erfüllt wurden und damit ein schwer auszuhaltendes Ungerechtigkeitsgefühl verbleibt. Schon jetzt kann aber gesagt werden, dass sowohl die anwaltliche Beratung als auch die Bundessprecher*innen unserer VVN-BdA sich für die Berufung ausgesprochen haben. Zudem hat die Open Knowledge Foundation (»Frag den Staat«) uns bereits zugesichert, auch in einer weiteren Instanz die Prozesskosten zu tragen. Es darf demnach davon ausgegangen werden, dass das letzte Kapitel in dieser Geschichte mit dem ersten Urteil noch nicht erzählt wurde.
Kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe entschied der Landesvorstand der VVN-BdA Sachsen, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Die Pressemitteilung vom Landesvorstand dazu dokumentieren wir im folgenden
Nach Urteil des Landgerichts Dresden: VVN-BdA Sachsen entscheidet sich für Berufung
Prozess HentschkeBau/Drews vs. VVN-BdA Sachsen geht damit in nächste Instanz
Am 05.04. erging durch das Landgericht Dresden das Urteil im Verfahren nach der Klage der Firma Hentschke Bau und ihres Geschäftsführers Jörg Drews gegen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Sachsen e.V.
Dieses Urteil gab der Klägerseite in allen beantragten Punkten recht. Gegen das Urteil kann binnen einer Frist von 4 Wochen Berufung eingelegt werden.
Dazu erklärt der 1. Sprecher der VVN-BdA Sachsen, Silvio Lang:
»Nach eingehender Beratung (…) hat der Landesvorstand heute in seiner turnusmäßigen Beratung abschließend über die Frage befunden, ob wir den Weg in die Berufung gehen wollen. In Abwägung aller vorliegenden Argumente und in Auswertung des Urteils des Landgerichtes fiel dabei die einstimmige Entscheidung, das Urteil des Landgerichtes nicht akzeptieren zu können. Daher haben wir unseren Rechtsbeistand beauftragt, dies entsprechend gegenüber dem Gericht anzuzeigen.«
Mit der Berufung zum Oberlandesgericht will die VVN-BdA Sachsen eine Korrektur des bestehenden Urteils erreichen.
Erneut Silvio Lang: »Die Urteilsbegründung des Richters hinterlässt uns mit einem großen Ungerechtigkeitsgefühl. Weder wurden die zweifelhaften Aussagen der Zeugen der Klägerseite entsprechend gewürdigt, noch die von uns zusätzlich angeführten Dokumente. Zudem wurde die Zeugenaussage des von uns benannten Zeugen gänzlich anders bewertet als wir dies für zutreffend halten. Zum Einen ist Prof. Decker ein renommierter Wissenschaftler, zum anderen ist es aus unserer Sicht in Frage zu stellen, wenn für eine Publikation auf einem journalistischen Medium (…) nicht die journalistische Freiheit anzunehmen sein soll. Aus all diesen Gründen haben wir uns entschieden, die Berufung anzugehen. Wir danken dabei für die vielfache Unterstützung und Ermutigung zu diesem Schritt in den letzten Wochen seit dem Urteil. Besonderer Dank gilt dabei unserem Bundesverband für die ausgesprochene Solidarität, sowie insbesondere an die Open Knowledge Foundation. Letztere hat erneut zugesagt, wie schon in der ersten Instanz, sämtliche anfallende Kosten für unsere Vereinigung zu übernehmen.«