Antifa oder Kollaps
1. November 2024
Wer den Kapitalismus inkonsequent herausfordert, bekommt Faschismus als Antwort
Es gibt keinen Kapitalismus ohne ökologische Zerstörung und Ungleichheit. Das Anhäufen von Macht, Besitz und Geld in den Händen Weniger, ist davon abhängig, Naturvorkommen und Ökosysteme zu zerstören sowie große Teile der (Welt-)Gesellschaft zu unterwerfen. Solange es privatwirtschaftlich agierende Superreiche und Großkonzerne gibt, wird es ökologische Zerstörung, Ausbeutung und Leid geben. Vorangetrieben wird dies durch das unaufhörliche Wachstumsstreben, das dem kapitalistischen System zugrunde liegt, und so erzeugt es seit seinem Bestehen eine soziale Frage. Diese befasst sich damit, wie, dadurch entstehende, sozioökonomische Missstände aufgelöst werden können.
In der Jetztzeit wird die soziale Frage durch die ökologische Komponente maßgeblich definiert. Planetare Ökosysteme stehen vor einem Kollaps. Die Folge sind häufigere und stärkere Extremwetterereignisse sowie ökologische »Systemausfälle«, die Katastrophen und Mangelzustände in Lieferketten nach sich ziehen. Die Stabilität von Gesellschaften wird dadurch akut bedroht. Zum künstlich erzeugten Mangel durch gezielte Ungleichverteilung gesellt sich also ein Mangel an intakten Naturvorkommen, die den Menschen als Lebensgrundlagen dienen. Die soziale Frage unserer Zeit ist daher unweigerlich eine sozialökologische Frage.
Zwei Beispiele zeigen, das kapitalistische System kommt für eine Lösungssuche nicht infrage. Da wäre einmal die Koalition zwischen dem extrem-libertären Milliardär Elon Musk und dem Faschisten Donald Trump. Gemeinsam zielen sie auf die Zersetzung der US-amerikanischen Demokratie ab. Ein weiteres Beispiel sind der Springer-Konzern und die interessengeleitete Einflussnahme seiner Anteilseigner. Besonders zu erwähnen ist der US-Finanzinvestor KKR (einer der größten Investoren in fossile Energien). So dient Springer als Instrument von milliardenschweren Fake-News-Kampagnen gegen alles, was die fossile Hegemonie infrage stellt. In beiden Fällen geht es um Macht- und Profiterhalt durch die Einflussnahme auf Politik und öffentliche Meinungsbildung. Selbst der Großteil jener Kapitalist*innen, der sich hinter die Idee der (neo)liberalen Demokratie stellt, trägt zu diesen Entwicklungen bei. Auch wenn sie die Regenbogenfahne schwingen und sich als Antifaschist*innen wähnen, ihr Geschäftsmodell beruht auf der unaufhörlichen Ausbeutung von Mensch und Natur. Auch dann, wenn Klima- und Umweltschutz Teil der Geschäftsphilosophie werden. Ob CO2-Zertifikate, Nachhaltigkeitsziele oder auch der Green New Deal, in der Summe schafft es der Kapitalismus immer wieder, derartige Vorstöße der Wachstumslogik zu unterwerfen.
Unter anderem diese Problematiken führen zu einem Anwachsen von Unsicherheit innerhalb der Gesellschaft. Immer mehr Teile der Gesellschaft laufen in die Arme von Autokrat*innen, Rechtsextremen oder Faschist*innen, da diese ihnen vermeintlich einfache »Lösungen« anbieten. Die kapitalistische Wachstumslogik kann daher als demokratiefeindlich betrachtet werden, da die Zerstörung von Lebensgrundlagen und die Aufrechterhaltung von Ungleichheit über kurz oder lang jede freie Gesellschaft ins Wanken bringen.
Wenn faktisch Wenige übermäßigen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen und ihre Belange über jene der großen Mehrheit stellen, muss ihnen die Verfügungsmacht über Produktionsmittel und kritische Infrastruktur entzogen werden. Die oligarchische Demokratie muss redemokratisiert werden. Da ihr nicht mehr zuzutrauen ist, die wirklich essenziell gefährlichen Probleme der Jetztzeit aufzulösen und dafür Sorge zu tragen, eine emanzipierte, inklusive und zukunftsfähige Demokratie zu fördern.
Gemeinschaftlichkeit und Gemeinsinn müssen an die Stelle von Profitstreben treten. Formen der Vergesellschaftung – soziale Beziehungen, die auf Grundlage von gemeinsamen Interessen und Motivationen gemeinschaftsgetragenes Verwalten und Wirtschaften in den Mittelpunkt stellen – können Wege ebnen, das ökologische und sozioökonomische Desaster noch halbwegs in den Griff zu bekommen. Wenn kritische Infrastruktur und andere Bereiche unserer Lebenswelt kollektiv verwaltet und gestaltet werden, können wir optimistisch sein. Nämlich dann, wenn beispielsweise das Gesundheitssystem, das Mobilitätssystem, die Energieversorgung oder die Nahrungsmittelversorgung, die Gesundheit und die Bedürfnisse aller an erste Stelle rücken und dabei den schonenden Umgang mit Naturvorkommen als eine Maxime ausrufen.
Am Beispiel von Wohnungskonzernen (wie Vonovia) würde dies bedeuten, dass Wohnraum dem Konzern entzogen wird und in eine Gesellschaft öffentlichen Rechts überführt wird. Mieter*innen würden dann beispielsweise in Räten mitentscheiden können. Wohnen als ein grundlegendes menschliches Bedürfnis würde dann gemeinschaftlich verwaltet. Faire Mietpreise, bedarfsgerechtes Wohnen sowie nötige Reparaturen und Instandhaltung stünden an erster Stelle.
Zurückblickend stellt sich diesbezüglich also nur eine Frage: Wollen wir uns als Gesellschaft weiter vom Profitstreben diktieren lassen, wie gut und wie frei wir zu leben haben? Oder bestimmen wir in Kollektiven selbst über unsere Leben. Darum ist es an uns, es konsequent anzupacken. Vergesellschaftung ist Antifa!
Tino Pfaff ist Sozialphilosoph, Publizist und Aktivist. Infos: linktr.ee/tinopfaff und ko-fi.com/tinopfaff