Vereinter Antifaschismus
6. Juli 2025
Vor 90 Jahren: Volksfront-Allianzen in Frankreich, Spanien und Deutschland
Was zwischen dem 25. Juli und dem 20. August 1935 auf dem VII. und letzten Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Moskau verabschiedet wird, ist nicht weniger als ein radikaler Paradigmenwechsel im Kampf gegen den weiter erstarkenden europäischen Faschismus. Entgegen der bis dahin vorherrschenden Sozialfaschismusthese im kommunistischen Lager, nach der Sozialdemokratie und Faschismus zwei Seiten derselben Medaille seien, inkorporiert die Idee der Volksfront nun nicht mehr nur die einstmals verhasste Sozialdemokratie, sondern sogar Teile der liberalen Bourgeoisie in das antifaschistische Bollwerk.
Der Schulterschluss für einen neuen vereinten Widerstand entfacht in Europa eine Aufbruchstimmung in weiten Teilen der Arbeiterbewegung, aber auch unter Intellektuellen. Doch es ist keineswegs so, dass erst die Volksfrontwende der Komintern entsprechende Initiativen entstehen lässt. Vielmehr legitimiert und generalisiert sie nachträglich die bereits praktizierte Volksfrontpolitik in Teilen Westeuropas. Als Vorläufer der Volksfront bildet sich in Frankreich 1934 in Reaktion auf die erstarkende Rechte zunächst die eigentlich der Sozialfaschismustheorie entgegenstehende, aber von Moskau abgesegnete Einheitsfront aus Kommunisten und Sozialisten. Unter ihrer einflussreichen Galionsfigur Maurice Thorez begreift man im Gegensatz zu Deutschland recht früh, dass man das Kleinbürgertum nicht den Rechten überlassen dürfe. Thorez gilt neben dem Komintern-Vorsitzenden Georgi Dimitroff als entscheidender Impulsgeber der späteren Volksfrontwende. Endgültig wird der Volksfrontmythos in Frankreich am 14. Juli 1935 geboren, als in Paris über eine halbe Million Menschen für die Verteidigung der Demokratie und die Entwaffnung der faschistischen Ligen demonstriert. Die Führungsriegen der Kommunisten, der Sozialisten und der bürgerlichen Demokraten bekennen sich dabei gemeinsam zu Demokratie und zu antifaschistischen Idealen. Bei den Parlamentswahlen Anfang Mai 1936 wird die Volksfront schließlich in die Regierung gewählt. Getragen von den Arbeitermassen, die durch die gewaltigste Streikbewegung in der Geschichte Frankreichs den Anspruch einer französischen Volksfrontregierung festigen, übernimmt der Sozialist Léon Blum vorzeitig die Regierungsgeschäfte und führt rasch soziale Erleichterungen wie die 40-Stunden-Woche und kollektive Tarifverträge ein.
Im Nachbarland Spanien stehen zu diesem Zeitpunkt die Zeichen dagegen bereits auf Bürgerkrieg. Am 18. Juli 1936 nehmen faschistische Militärs unter General Franco strategische Zentren auf dem Festland ein. Der faschistische Putsch beginnt. Ein Jahr zuvor hatte ähnlich wie in Frankreich die spanische KP in Anbetracht der faschistischen Gefahr die Bildung einer Volksfront aus den Arbeiterparteien und republikanischen Kräften vorgeschlagen. Bei der Wahl im Februar 1936 erringt das Volksfrontbündnis einen deutlichen Sieg, auch wegen der Unterstützung der Anarchisten, die zum ersten Mal ihren Wahlboykott aufgeben und weitgehend für die Volksfrontkoalition stimmen. Obwohl die Arbeiterparteien in der Minderheit sind und die stärkste Fraktion der spanischen Arbeiterbewegung – die Anarchosyndikalisten mit ihrer Gewerkschaft CNT – gar nicht im Parlament vertreten ist, versetzt der Wahlsieg die Arbeitermassen in einen Zustand der Euphorie. Aufgrund der Vereinbarungen vor den Wahlen übernehmen die bürgerlichen Republikaner die Regierungsgeschäfte. Sie können die Linke jedoch nicht zufriedenstellen, was beim linken Flügel der Sozialisten und bei den Anarchosyndikalisten revolutionäre Ideen aufkeimen lässt. Diese führen zwar zu keinem Umsturzversuch, vernebeln jedoch die offensichtlichen Bürgerkriegsvorbereitungen der Rechten.
Auch innerhalb und außerhalb von Nazideutschland entstehen – inspiriert durch die Verhältnisse in Frankreich und Spanien – zwei Volksfrontinitiativen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Im Pariser Exil bildet sich der Lutetia-Kreis um Heinrich Mann und Willi Münzenberg und in Berlin im Widerstand die von Otto Brass und Hermann Brill gegründete Deutsche Volksfront bzw. Zehn-Punkte-Gruppe.
In Frankreich scheitert die Volksfrontregierung unter Léon Blum im Juni 1937 an der katastrophalen wirtschaftlichen Situation mit einer nie dagewesenen Staatsverschuldung und einer besorgniserregenden Kapitalflucht. Die sozialen Errungenschaften werden teilweise einkassiert. In Spanien bringt nach einer vorübergehenden Lähmung infolge des Franco-Putsches eine neue Volksfrontregierung unter kommunistischer und linkssozialistischer Beteiligung zunächst ein wenig Stabilität. Ab Mai 1937 bekämpfen sich Anarchosyndikalisten und Trotzkisten auf der einen und stalintreue Kommunisten auf der anderen Seite in Barcelona aufs Bitterste. Ein starker Staat unter dem Volksfrontbanner verhindert die Revolution. Die Zersplitterung der Linken führt im März 1939 zur Niederlage im Bürgerkrieg.
Mit dem Hitler-Stalin-Pakt vom 24. August 1939 endet die Volksfrontpolitik der Komintern dann auf ganzer Linie.