In drei Überseekoffern

geschrieben von Ulrich Schneider

6. Juli 2025

Zu den Beständen der FIR im Archiv der VVN-BdA und anderswo

Im Sommer 2026 feiert die Dachorganisation der internationalen antifaschistischen und Veteranenverbände ihr 75. Gründungsjubiläum. Entstanden 1951 beim Internationalen Friedenskongress in Wien, hatte die Organisation bis 2003 ihren Organisationssitz in der österreichischen Hauptstadt. Sie war eng verbunden mit dem KZ-Verband und – über den langjährigen Generalsekretär der FIR1 Oskar Wiesflecker – auch mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW). Aus diesem Grunde war es folgerichtig, als es Anfang der 1990er-Jahre eine existenzielle Krise der FIR gab, einen Teil der Arbeitsunterlagen der FIR außerhalb des Büros zu sichern.

Damals wurden Bestände, Bücher und Organisationsakten – wenn auch ungeordnet – an das Archiv des DÖW übergeben. Die Überleitung des Büros der FIR von Wien nach Berlin erfolgte recht provisorisch. Der größte Teil der noch vorhandenen Unterlagen, darunter die Protokolle aller Kongresse, passten in drei Überseekoffer, die per Nachtzug von Wien nach Berlin transportiert wurden. Dort lagerten sie im Büro der VVN-BdA-Bundesorganisation. Ein Teil der Organisationsakten (Mitgliedsverbände, aktuelle Korrespondenzen und Finanzunterlagen) gingen an den Generalsekretär selbst bzw. an den Finanzsekretär. Schon dieser kurze Überblick macht deutlich, dass von einem strukturierten FIR-Archiv nicht die Rede sein kann.

Umso bedeutender ist es, wie viele Archivbestände zur Geschichte der FIR für die historische Forschung zur Verfügung stehen. Es hat zwar gut zwei Jahrzehnte gedauert, aber jetzt gibt es einen elektronischen Überblick der Bestände, die die FIR an das DÖW übergeben hat. Zwar kann hiermit nur eine Person etwas anfangen, die die organisatorische Struktur der FIR in ihren verschiedenen Jahren kennt, aber erste Informationen über Treffen des Generalrates, des Sekretariats und des Wiener Büros lassen sich hieraus ablesen. Auch wurden – unterschiedlich in Form und Umfang – Aufzeichnungen zu Kontakten mit Mitgliedsverbänden in den Unterlagen abgelegt, sodass hieraus die praktische Arbeit der FIR und ihre internationalen Verbindungen deutlich werden. Einschränkend muss gesagt werden, dass in solchen Akten selten die tatsächlichen Konflikte erkennbar werden. Auch außerverbandliche Einflüsse (politische Konflikte zwischen Staaten und politischen Bewegungen) sind in den Unterlagen selten deutlich genannt. Bei der Entstehung der Papiere waren diese Aspekte den Beteiligten natürlich geläufig. Für die verschriftlichten Ergebnisse waren solche Zusatzinformationen nicht notwendig. Heute muss man sie sich jedoch mühsam erarbeiten, weil die damals Beteiligten, die diese Hintergründe erläutern könnten, nicht mehr am Leben sind.

Münze zum 30. FIR-Jubiläum 1981. Foto: FIR-Archiv

Münze zum 30. FIR-Jubiläum 1981. Foto: FIR-Archiv

Das bezieht sich auch auf Bestände, die im Bundesarchiv der VVN-BdA zur FIR zu finden sind. Beim Umzug aller Unterlagen in das VVN-BdA-Bundesarchiv kamen auch Korrespondenzakten mit der FIR aus dem Bestand des IVVdN2 und die übernommenen Akten des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer, die nicht im SAPMO3-Archiv gelandet sind, hinzu. Leider gibt es keine Hinweise, ob vergleichbare Unterlagen aus der Auflösung des Bundesbüros der VVN-BdA in der Frankfurter Rossertstraße noch zu finden sind. Mittlerweile wissen wir, dass in Nachlässen von VVN-Funktionären, die für die FIR tätig waren, noch Unterlagen zu finden sind, so im Nachlass von Kurt Bachmann, der im Kölner Stadtarchiv untergebracht wurde. Zu den vorhanden Beständen kommen im VVN-Archiv auch neu entstandene Unterlagen, immerhin erschienen bislang mehr als 75 Quartalszeitschriften FIR News und knapp 300 wöchentliche Newsletter, die viel über die politische Arbeit der FIR in den vergangenen Jahrzehnten aussagen können.

Zu den aktuellen Aufgaben gehört die Sammlung historischen Schrifttums der Organisation. So liegen von den Zeitschriften der FIR die deutschen Ausgaben Der Widerstandskämpfer fast vollständig vor, die französischsprachigen Ausgaben Resistant unie komplett, zudem die zehn historischen Hefte der Widerstandsbewegung. Über Antiquariate konnten verschiedene Publikationen der FIR im Original beschafft werden, sodass auch damit ein Überblick über die vielfältige Tätigkeit der FIR – angefangen von den Broschüren zu tagespolitischen Auseinandersetzungen bis zu den Protokollen internationaler medizinischer Kongresse zur Gesundheit von NS-Verfolgten – möglich wird. Zur heutigen geschichtspolitischen Arbeit sind die mehrsprachige Ausstellung »Antifaschistischer Widerstand in Europa« und der damit verbundene Katalog ebenso interessant wie die Landkarte der Lager und Haftstätten oder die Dokumentation der Gedenk-orte, an denen das FIR-Symbol zu sehen ist, die vor vier Jahren herausgegeben wurde.

Zum ungewöhnlichen Teil der Sammlung gehören sogenannte Devotionalien. Die FIR erhielt bei internationalen Begegnungen Plaketten und Ehrenzeichen, Fahnen und Wimpel der Gastgeber. Selbst eine lederne Delegiertenmappe des FIR-Kongresses in Minsk befindet sich im Bestand. Auch die FIR selbst hat solche Ehrenplaketten an Verbände und Veteranen übergeben. Sie mögen aus heutiger Perspektive etwas antiquiert wirken, sind aber Ausdruck der Verbundenheit mit Mitgliedsverbänden und mit internationalen Partnern. Als solche haben sie ihren legitimen Platz im FIR-Archiv.

1 Fédération Internationale des Résistants (deutsch: Internationale Föderation der Widerstandskämpfer)

2 Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener

3 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR

In loser Folge stellen wir hier Dokumente vorwiegend aus den Archiven der VVN-BdA vor beziehungsweise beleuchten deren Arbeit.