Der Kampf bleibt wichtig

geschrieben von Kerstin Köditz

6. Juli 2025

Die Gedenkstätte KZ Sachsenburg scheint nun doch erst einmal gesichert

Terror und Unterdrückung – zentrale Bestandteile des NS-Herrschaftsapparates. Ein wichtiges Instrument dabei waren die Konzentrationslager. Vor den großen bekannten Lagern wie Buchenwald oder Dachau gab es die frühen KZs, deren Errichtung unmittelbar nach dem Reichstagsbrand begann. Etwa 100 davon gab es im gesamten Reichsgebiet, fast ein Viertel davon – 23 – allein in Sachsen. Das bis 1937 bestehende KZ Sachsenburg gehörte dazu, hatte in mancherlei Hinsicht Vorbildcharakter für die später errichteten Lager.

Sachsen hat jetzt offiziell einen weiteren Gedenktag, den 8. Mai, den Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Was Sachsen nicht hat, ist ein Lern- und Gedenkort in einem ehemaligen Konzentra-tionslager. Das Bundesland mit den meisten frühen KZs ist heute das einzige Flächenland ohne eine solche Gedenkstätte. Ein Skandal. Natürlich.

Und natürlich gibt es seit vielen Jahren Menschen und Organisationen aus unterschiedlichen Zusammenhängen, die gegen diesen Skandal ankämpfen, einen würdigen Gedenkort schaffen wollen. Es gab Fortschritte dabei – und herbe Rückschläge wie den Abriss der Kommandantenvilla, eines zentralen Gebäudes des Komplexes.

Ende 2024 dann das Gefühl, es sei endlich geschafft. Die notwendigen Bundesmittel waren zugesagt, die Landesregierung zeigte sich offen für das Projekt. Auf den Optimismus folgte die Ernüchterung. Der Haushaltsentwurf der CDU/SPD-Minderheitsregierung wies keine Mittel für Sachsenburg aus. Damit wären auch die Bundesmittel für die Gedenkstätte verfallen. Aus und vorbei?

Der Fassungslosigkeit und dem Unverständnis folgte schnell der Protest. Ein Protest, der in den Medien ein reges Echo fand. Als VVN-BdA Sachsen wandten wir uns mit einem Offenen Brief an die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien im Sächsischen Landtag: »Wir müssen Sie aus Verantwortung für die Geschichte sowie im mahnenden Erinnern an unsere Vorfahren, die im KZ Sachsenburg inhaftiert, gefoltert und zum Teil umgebracht wurden, auffordern, diesen Ansatz der Staatsregierung zu korrigieren. Der Ausbau der Gedenkstätte muss weitergehen! Gerade in der heutigen Zeit ist alles andere ein fatales Zeichen.«

Kranzniederlegung an der Gedenkstätte beim Sachsenburger Dialog am 1. Juni. Foto: Kerstin Köditz.

Kranzniederlegung an der Gedenkstätte beim Sachsenburger Dialog am 1. Juni. Foto: Kerstin Köditz.

Verschickt hatten wir unseren Protestbrief am Vorabend des 8. Mai. Die erste Antwort kam bereits direkt am 8. Mai. Die CDU-Landtagsfraktion erklärte: »Die Errichtung der Gedenkstätte KZ Sachsenburg ist das gemeinsame Ziel des Freistaates Sachsen, des Bundes und der Stadt Frankenberg.« Verwiesen wurde auf die weiteren Haushaltsverhandlungen.

War also das letzte Wort noch nicht gesprochen? Zur SPD-Fraktion gab es telefonischen Kontakt. Auch sie wolle das Anliegen unterstützen. Die Fraktion Die Linke antwortete öffentlich: »Sachsenburg war und ist ein Herzensanliegen der Linken, und das wird es auch bleiben.« Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragte eine »Aktuelle Debatte« im Landtag zur Thematik. Dort, wie auch in diversen Medienauftritten, erklärte die zuständige CDU-Ministerin Barbara Klepsch ihre volle Unterstützung für das Projekt.

Das waren die Worte. Wie steht es heute mit den Taten? Eine Umsetzung der Förderung wird nun nicht über den Haushalt selbst erfolgen, sondern über einen Umweg, nämlich einen Kabinettsbeschluss zur Nutzung von PMO-Mitteln. Das sind Gelder aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR. Die AfD möchte die Gelder lieber in das örtliche Freibad stecken – so war es den Medien zu entnehmen.

In dieser noch unklaren Situation fand am 31. Mai und 1. Juni der diesjährige »Sachsenburger Dialog« zur Erinnerung an den ersten Zählappell in diesem KZ statt. Die Stimmung? Verhalten optimistisch. Die Angriffe auf die Erinnerungspolitik bleiben und werden wohl weiter zunehmen. Das machte auch der Vortrag »Herausforderungen aktueller Gedenkstättenarbeit« von Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, deutlich.

Daneben die Eröffnung der Ausstellung »Werner Seelenbinder. Ringer – Kommunist – Staatsfeind«, vielfältige Gesprächsmöglichkeiten und ein Vortrag »Herausforderungen aktueller Gedenkstättenarbeit« und natürlich auch eine Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung. Und ebenso natürlich und notwendig antifaschistische Kultur. Diese lieferte der Chor »Pir-Moll« aus Pirna mit einem unter die Haut gehenden Repertoire von Alltags-, Lager- und Widerstandsliedern der damaligen Zeit.

Kurt Tucholskys Lied »Rosen auf den Weg gestreut« mit der berühmten Textzeile »Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!« aus dem Jahr 1931 durfte dabei selbstverständlich nicht fehlen. Der Verfall der Gedenkstätten, die Einschränkung einer nachhaltigen Erinnerungsarbeit: Das wären solche Rosen, die den Faschisten auf den Weg gestreut werden. Wir werden die Erinnerungsorte dringend brauchen, wenn wir den Faschisten stattdessen wirkungsvoll den Weg verbauen wollen. Der Kampf um die Gedenkstätte Sachsenburg bleibt wichtig. Erinnerungsorte sind Bollwerke gegen die Faschisierung.

Die Autorin ist erste Landessprecherin der VVN-BdA Sachsen e.V. und war bis 2024 in der Fraktion von Die Linke im Sächsischen Landtag.