Hoffe auf politische Mehrheit

6. Juli 2025

Neues AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes vorgelegt. Ein Gespräch mit Georg D. Falk

antifa: Kurz vor dem Regierungswechsel hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein Gutachten vorgelegt, in dem die AfD als gesichert rechtsextrem eingeschätzt wird. Wie beurteilen Sie das?

Georg D. Falk: Das Gutachten, das das BfV vorgelegt hat, war nach meiner Kenntnis schon vorher fertig. Und dann kamen die Ampel-Krise sowie die Auflösung des Bundestages, und da wirkte das Neutralitätsgebot. In einer solchen Phase des Wahlkampfs war es aus meiner Perspektive richtig, dieses Gutachten nicht öffentlich zu platzieren. Aus dem Grund hat sich das eben bis nach der Bundestagswahl verschoben.

Es kommt bei der Diskussion um ein AfD-Verbot eine besondere Problematik hinzu. Bei früheren Verbotsverfahren konnte man die Verfassungsfeindlichkeit an bestimmten Programmpunkten in den offiziellen Programmen festmachen. Dagegen findet man Verfassungsfeindliches in der offiziellen Programmatik der AfD nicht. Daher muss man bei dieser Partei die Verfassungsfeindlichkeit aus dem ableiten, was von Vertretern dieser Partei gemacht und gesagt wird. Deswegen ist dieses Gutachten auch mit über 1.000 Seiten so umfangreich ausgefallen; man muss viel dokumentieren, einfach sammeln, und dann kann man das juristisch bewerten.

antifa: Die AfD klagt jetzt gegen diese Qualifizierung als »gesichert rechtsextrem«.

G. D. F.: Zuständig ist das Verwaltungsgericht Köln. Dort wurde bereits ihre Klage gegen die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall abgewiesen. Schon diese Einstufung erlaubt dem BfV, bestimmte Instrumente zur Informationsgewinnung einzusetzen. Auch in zweiter Instanz ist die AfD beim Oberverwaltungsgericht NRW in Münster 2024 gescheitert. Das bedeutet, dass man jetzt mit einiger Sicherheit auch den Ausgang des neuen Klageverfahrens prognostizieren kann.

antifa: Was sind die Konsequenzen aus dem Gutachten?

Dr. h. c. Georg D. Falk, Rechtsanwalt in Marburg, Richter am Hessischen Staatsgerichtshof (2002 bis 2024), Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main (bis 2014) ist einer der Sprecher des Marburger Netzwerks für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Foto: Rosemarie Steffens

Dr. h. c. Georg D. Falk, Rechtsanwalt in Marburg, Richter am Hessischen Staatsgerichtshof (2002 bis 2024), Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main (bis 2014) ist einer der Sprecher des Marburger Netzwerks für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Foto: Rosemarie Steffens

G. D. F.: Ich bin der festen Überzeugung, dass das, was in dieser Sammlung, die das BfV vorgelegt hat, enthalten ist, ausreichen wird für die Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei. Die AfD macht natürlich jetzt strategisch das, was man in so einer Situation tut. Es gibt zum Beispiel eine offizielle Handlungsanweisung an Abgeordnete, da steht sinngemäß ganz ausdrücklich drin: »Achten Sie bitte darauf, dass Sie in keiner Weise Positionen vertreten, die als verfassungsfeindlich angesehen werden können.« Ein anderes Beispiel: Zur Migrationsdebatte gaben sie ein Papier raus, in dem es heißt: »Alle Ausländer sind uns herzlich willkommen.«

Das sind Ablenkungsmanöver, die dann im Verfahren dazu genutzt werden, um bestimmte andere Sachen zu relativieren.

antifa: Was muss in der Zwischenzeit passieren?

G. D. F.: Gerade jetzt haben wir den Fall, dass die Stadt Marburg der AfD ein Bürgerhaus für eine Veranstaltung zu Verfügung stellen musste. In einer Presserklärung hat Oberbürgermeister Thomas Spies, SPD, das ausdrücklich bedauert. Er argumentiert ganz klar gegen die AfD, aber er will der AfD nicht auch noch einen juristischen Erfolg ermöglichen, den sie für sich ausnutzen könnte. Andererseits betont Spies die Notwendigkeit kommunaler Handlungsfähigkeiten, um eben aufgrund des Berichtes des BfV sagen zu können: »Nein, Kommunen müssen dieser Partei nicht auch noch Räume zur Verfügung stellen, um ihre Parolen zu verbreiten«.

Ich hoffe, dass es in nächster Zeit eine politische Mehrheit gibt, dass dieser Verbotsantrag von einem der drei Antragsberechtigten gestellt wird, also von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat.

antifa: Welchen Ausgang des Verbotsverfahrens erwarten Sie?

G. D. F.: Alle wissen, dass meine Position klar war und ist: Die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Ich bin davon überzeugt, dass das Bundesverfassungsgericht sie auch als verfassungsfeindlich verbieten wird.

Das Gespräch führten Rosemarie Steffens und Peter Lob.