Es bleibt kompliziert
6. Juli 2025
Selbst notorischen Feinden der Demokratie wird Legalität attestiert. Zur Debatte um ein Verbot der AfD
Die Sache »AfD-Verbot« ist seit dem 24. Juni nicht einfacher geworden. Im Verbotsverfahren gegen das wichtigste verschwörungsideologische und extrem rechte Printmagazin Compact, das über die Jahre viel zur Radikalisierung des früheren Gemischtwarenladens AfD beigetragen hat, fiel das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zugunsten des Herausgebers Jürgen Elsässer aus (siehe auch Seite 7). Der von der früheren Bundesinnenministerin Nancy Faeser eingeschlagene Weg über ein Vereinsverbot wurde zwar nicht grundsätzlich für falsch erklärt und die inhaltliche Orientierung des Magazins auch als verfassungswidrig charakterisiert. Doch hätten die Aktivitäten der Compact Magazin GmbH die »Schwelle der Prägung noch« noch nicht erreicht. Wer je das aktuell schlimmste Hetzblatt deutscher Sprache gelesen hat, kann das zwar nur schwer nachvollziehen, muss aber trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass Gerichte tendenziell bereit sind, selbst notorischen Feinden der Demokratie Legalität zuzubilligen, weil sie davon ausgehen, dass der demokratische Meinungsstreit es schon richten werde.
Gar nicht so schlecht gelaufen
Bis dahin war das Jahr für Verbotsbefürworter gar nicht so schlecht gelaufen. In allen drei Verfassungsorganen, die ein AfD-Verbotsverfahren einleiten können, gibt es Akteure, die sich nicht nur verbal für ein AfD-Verbot aussprechen, sondern sich auch konkret dafür einsetzen. Zum politischen »Spiel« gehört dabei, sich auch mal bedeckt zu halten, Opponenten zu umgehen, Verbündete zu suchen, im Hintergrund Vorbereitungen zu treffen, das Thema aber öffentlich zu setzen.
Die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) machte es vor: Sie überholte den eigentlich zuständigen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), indem sie öffentlich erklärte, dass es »unbedingt« notwendig sei, ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. »Wenn nach gründlicher Prüfung die Voraussetzungen dafür vorliegen, dann wäre es nur schwer vermittelbar, das Instrument nicht zu nutzen.« (FAZ vom 22.5.2025)
Dobrindt reagierte verschnupft. Bereits seine Vorgängerin Faeser hatte ihm vor Amtsantritt eins reingewürgt, indem sie das inhaltliche Ergebnis – die AfD sei »gesichert rechtsextrem« – des seit November vorigen Jahres fertigen 1.100-seitigen Gutachtens des Bundesamtes für Verfassungsschutz öffentlich machen ließ. Dieses Gutachten – erst irgendwie geheim, dann durch diverse Medien veröffentlicht – hat erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Bis dato hatten sich nicht Wenige zurückgehalten. Es ist nicht gerade ein Ausweis für demokratisches Selbstbewusstsein, erst mal auf behördliche »Erlaubnis« für die eigene Einschätzung und Meinung zu warten, insbesondere nicht, wenn es um eine Truppe geht, die seit jeher eher Teil des Problems und nicht der Lösung ist. Aber sei es drum: »gesichert rechtsextrem« wurde zur Vokabel der Stunde, bis auch hier wieder der Bremsschuh reingeschoben wurde. Die Behörde verpflichtete sich gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln bis zur Klärung einer AfD-Klage zum »Stillhalten«, sprich einem vorübergehenden Schweigegelübde. Überzogene, bis zur Euphorie gehende, Erwartungen in der Öffentlichkeit kippten gleich wieder in die falsche Vorstellung, die Behörde habe den Bericht »zurückgezogen«, und es sei alles verloren.
Überzeugungsarbeit nötig
Im neugewählten Bundestag muss sich auch erst mal wieder neu sortiert werden. Da die AfD nun fast ein Viertel der Abgeordneten stellt, müssten Verbotsbefürworter fast zwei Drittel der anderen Abgeordneten gewinnen. Einer Umfrage zufolge sind es aktuell 124 klare Befürworter. Nach Fraktionen sortiert gibt es bei der Linken, nach dem Ausscheiden des zum BSW gewandelten Wagenknecht-Flügels, völlige Zustimmung. Bei den Grünen, der durch faschistische Hetze am meisten betroffenen politischen Partei, gibt es eine große Mehrheit. Bei der SPD sieht es nicht so klar aus, auch wenn sich Parteichef Lars Klingbeil mittlerweile genauso äußert wie Parteifreundin Hubig*. Größtes Hindernis ist die CDU, in der nur drei Sonderlinge gegen eine große Mehrheit aus Desinteressierten und nach Rechtskoalitionen schielenden Abgeordneten stehen. Es fehlt im Bundestag nach dem Ausscheiden von Marco Wanderwitz (CDU) wohl auch noch an einer neuen Leitfigur für das Anliegen.
Für die Verhältnisse im Bundesrat war die Bremerhavener Innenministerkonferenz vom 11. Juni ein Fortschritt. Zwar zeigte sich, dass Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) mit seiner harten Verbotsforderung erst mal alleine dasteht. Aber immerhin einigte man sich darauf, überhaupt eine »einheitliche Haltung« anzustreben und eine Arbeitsgruppe einzurichten, die mögliche Auswirkungen der Einstufung der Partei als »gesichert rechtsextrem« auf das Dienstrecht, Sicherheitsüberprüfungen und das Waffenrecht prüfen will. Damit sind wir wieder bei der für die AfD enorm wichtigen »Beamtenfrage«. Allein das Reden über dienstrechtliche Konsequenzen eines Engagements für die AfD wird den einen oder anderen zurückhaltender werden lassen.
Material der Kampagne für ein AfD-Verbot, darunter Sticker, Flyer, Postkarten und Buttons, lässt sich auf
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Infos: https://afd-verbot.jetzt
* Kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe sprach sich die SPD auf ihrem Bundesparteitag am 29. Juni einstimmig für die Vorbereitung eines Verfahrens zum Verbot der AfD aus.