Vernetzung lohnt sich

geschrieben von Julia Hartung

6. September 2025

In Hamburg fand der 18. Workshop der »Archive von unten« statt

»Unsere Geschichte gehört uns!« titelt Jürgen Bacia in einem Aufsatz über »Bewegungsarchive« aus dem Jahr 2021. Damit spricht er eine wichtige Motivation der vergangenen und gegenwärtigen Bemühungen von »freien Archiven« an. Die VVN-BdA als antifaschistische Organisation wie auch emanzipatorische Bewegungen mit anderen Schwerpunkten (Anti-AKW, Anti-Apartheid, Anti-Kriegsbewegungen, …) wollen jene Quellen bewahren, die Zeugnis ihrer politischen Aktivität ablegen. Es geht um das Archivieren der eigenen Geschichte als politische Praxis.

Im Juni 2025 fand das alljährliche bundesweite Treffen der freien Archive statt, gastgebende Institution war das Hamburger Institut für Sozialforschung. Mit Vertretern von fast 40 Archiven war das Treffen sehr gut besucht. Ein breites Spektrum an Archiven zu linksalternativen Bewegungen war vertreten. Von der Umweltbewegung über feministischen Aktivismus bis hin zu Arbeiterjugendbewegungen kamen Archivierende in den Austausch miteinander.

In diesem Jahr stand die Tagung unter dem Motto »Archive in Zeiten des Rechtsrucks«. Gut, dass die VVN-BdA mit ihrem Sammlungsschwerpunkt Antifaschismus wieder vertreten war! Maxi Schneider, Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik, wurde von der Bundesvereinigung nach Hamburg entsandt. In der Diskussionsrunde zur Rechtsentwicklung wurde deutlich: Während manche Archive vermehrt über Sicherheitsmaßnahmen nachdenken, bekommen andere Einrichtungen die Veränderung des politischen Klimas zunächst vor allem über ausbleibende staatliche Fördergelder zu spüren.

In den vergangenen Jahren wurde zum Teil heftig diskutiert, ob freie Archive »Staatsknete« annehmen sollen. Anarchistische Zusammenschlüsse und linksradikale Gruppen sahen eher die Gefahr, sich von staatlichen Geldern abhängig zu machen und politische Autonomie einzubüßen. Auf der anderen Seite der Diskussion steht eine ebenfalls berechtigte politische Strategie, die hervorhebt, dass die Geschichte der BRD nicht geschrieben werden kann, ohne den Einfluss sozialer Bewegungen und der Oppositionsbewegungen auf Politik, Sozialgeschichte, Alltagskulturen und Lebensformen zu berücksichtigen. Die Vertreter dieser Linie fordern zum Beispiel innerhalb des »Verbands deutscher Archivare« anzuerkennen, dass nur die einzigartigen Dokumente der »Archive von unten« große Überlieferungslücken schließen können, die in diesem Bereich in staatlichen Archiven klaffen. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe müsse finanziell vom Staat getragen werden. Vor dem Hintergrund der zu befürchtenden weiteren Kürzungen beginnen jene freien Archive, die sich bisher teilweise über staatliche Gelder finanziert haben, neue Strategien für den Notfall zu entwickeln.

Die Aussichten für Bewegungsarchive sind also nicht nur rosig. Trotzdem war die Stimmung auf dem Treffen sehr gut. Das mag auch daran liegen, dass »Archive von unten« seit ihrer Gründung viel Improvisationstalent an den Tag gelegt haben, um auch unter schwierigen Bedingungen die Bewegungsgeschichte zu bewahren. Außerdem ist ein Vorteil des Archivierens als politische Praxis, dass auf Phasen großer Aktivität (Neuzugänge, Nutzungsanfragen, Erschließungsprojekte) auch Ruhephasen folgen können.

Die VVN-BdA kann von Archivvernetzungstreffen dieser Art stark profitieren. Auch in diesem Jahr waren einige Archive vertreten, deren Sammlungsschwerpunkt sich mit unseren überschneiden. Hierzu zählen das Hans-Litten-Archiv der Roten Hilfe, das Berliner apabiz (antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum) und das Archiv sozialer Bewegungen Freiburg, in das erfreulicherweise die historischen Unterlagen der VVN-BdA Freiburg aufgenommen wurden. Aber auch in Archiven mit anderem Sammlungsprofil sind einzigartige Zeugnisse der Verbrechen des Faschismus, des Widerstands und des Kampfes nach 1945 zu finden. Vernetzung unter den freien Archiven kann hier der Beginn einer »Überlieferungsbildung im Verbund« sein. Je besser die Bewegungsarchive sich untereinander kennen, desto besser können sie Forschende auf weitere Quellen verweisen und Ressourcen bündeln.

Zurück zum Geschehen in Hamburg: Die Organisator*innen der Tagung schreckten auch vor schwierigen Themen nicht zurück: Auf Betreiben des Archivs der deutschen Jugendbewegung wurde ein Workshop zum Thema »Archive und die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt« angeboten, der auf großes Interesse stieß.

Wie in jedem Jahr gab es auch die Möglichkeit, sich über die ganz alltäglichen Fragen des Archivierens auszutauschen: Welche Datenbank könnt ihr uns empfehlen? Kann ich von Schimmel befallene Bestände retten? Wie gehe ich mit diffamierenden Begriffen für die Verschlagwortung um? Fragen dieser Art wurden sowohl in den Workshops als auch bei der Führung durch das Archiv in der berühmten Roten Flora lebhaft diskutiert. Bleibt zu hoffen, dass einige der gewonnenen Erkenntnisse nun in die VVN-BdA zurückgetragen werden können. Ich empfehle unbedingt im nächsten Jahr (gerne auch mit stärkerer ehrenamtlicher Besetzung) wieder dabei zu sein!