Vorväter der AfD

geschrieben von Thomas Willms

6. September 2025

Die AfD im Kontinuum des Neofaschismus

Politische Strategien entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie sind das Werk einzelner Akteure, nicht gesichtsloser Parteiapparate. Da ist die extreme Rechte nicht anders als andere politische Bewegungen. In letzter Zeit sind mit Horst Mahler und Udo Voigt zwei Persönlichkeiten dieser Strömung verstorben, die mit ihrem Denken und Handeln ihre eigene Szene prägen wollten. Mahler hielt sich für wichtiger, als er war, Voigt war wichtiger, als er tat. Beide sind gescheitert; Mahler auf niedrigem, Voigt auf hohem Niveau. Aus beider Scheitern wurden Lehren gezogen, die uns die AfD eingebrockt haben.

Gestus und Form letztlich wichtiger als Inhalt

Der Rechtsanwalt Mahler reihte sich in die lange Galerie der Linksradikalen ein – beginnend mit Benito Mussolini –, denen Gestus und Form letztlich wichtiger sind als der behauptete Inhalt und die deshalb schlicht die Seite wechseln können. Die Ausschläge beim RAF-Unterstützer Mahler hin zum offenen Antisemitismus waren besonders extrem und erinnern an Günter Deckert, den Vorgänger Udo Voigts im Amt des NPD-Parteivorsitzenden. Sie glaubten, sich durch schieren Willen über die bestehenden Regeln hinwegsetzen zu können. Der vielmals gescholtene deutsche Staat nahm Deckert die Beamtenpension und steckte Mahler ins Gefängnis.

Udo Voigt erkannte, dass es so einfach nicht geht beziehungsweise es nichts bringt. In einer seiner Parteitagsreden wiegelte er einmal die Ergüsse eines Delegierten ab, indem er sagte, die »Theorie sei ja sowieso klar, es ginge hier darum, praktische Politik zu betreiben«. Das tat der Ex-Offizier der Bundeswehr auch im Rahmen des Möglichen und schaffte es in den 1990er- sowie 2000er-Jahren, eine organisatorisch relevante und zugleich »harte« neofaschistische Partei zusammenzuschieben und in zwei Landesparlamente zu bringen. Am Ende war das Image dann aber doch zu eindeutig und zu leicht auf den historischen Faschismus zurückzuführen. Das zweite Verbotsverfahren scheiterte zwar, ebnete aber trotzdem den Weg für den Niedergang der Partei, die heute unter dem Namen »Die Heimat« firmiert. Voigts Nachfolger blieben blass. Abschreiben sollte man die Truppe aber trotzdem nicht. X-mal totgesagt, schaffte sie genauso viele Auferstehungen.

Da sich auch der NPD-Weg als noch zu heikel herausstellte, konstruierte eine Gruppe neoliberaler Wirtschaftsprofessoren mit Bernd Lucke als Anführer 2013/2014 die AfD mit unbelastetem Personal. Das Programm war scheußlich, aber doch mit großer Mühe vom offenkundigen NS-Gut desinfiziert. Björn Höcke – er hatte noch die Kurve gekriegt, indem er im letzten Moment von der NPD zur AfD umschwenkte – verhinderte diesen gedachten AfD-Weg und leitete die oft beschriebene inhaltliche NPDisierung der AfD ein, vorläufig gipfelnd im Deportationsfantasma, das 20 Millionen Einwohner*innen Deutschlands betrifft.

Das »Monster AfD« (so nannte es der von sich selbst entsetzte AfD-Mitbegründer Olaf Henkel) hat ein Jahrzehnt später so viel Gewicht erreicht, dass es die Begrenzungen, an denen Deckert, Voigt, Mahler, Schönhuber und Frey noch steckenblieben, aufzuheben beginnt. Der stabilste Pfosten im Begrenzungszaun war lange Zeit die Erinnerung an die NS-Verbrechen. Diese Verbrechen zu bagatellisieren und umzudeuten ebnet den Weg für neue Verbrechen des deutschen Neofaschismus. »Der Weg zur Selbstfindung der Deutschen führt über die Trümmer der NS-Gedenkstätten«, wie der Neonaziideologe Hans-Dietrich Sander schon vor einer Generation sagte.

Die AfD geht dieses Zerstörungswerk ziemlich unbeachtet, aber auf breiter Front an (siehe das Spezial in dieser antifa-Ausgabe). Wenn die VVN-BdA im Kampf gegen die AfD eine wirklich genuine Aufgabe hat, dann die, genau an dieser Stelle, und sei es aus einer Position der Minderheit heraus, konsequent Widerstand zu leisten.

Duo Infernale Höcke und Weidel

Die AfD heute wird nicht formal, aber praktisch vom Duo Infernale Höcke und Weidel geführt. Ideo-logisch bilden sie das Bündnis aus reinem Nationalsozialismus und der rassistischen Variante des Neoliberalismus. Es wird wohl kaum in alle Ewigkeit halten, denn die inhaltlichen Widersprüche sind groß und der Hass aufeinander noch größer. Mitdirigieren beim Parteiplan möchte das sich selbst sehr wichtig findende »Vorfeld« aus ultraradikalen Autoren um Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer (noch so ein Ex-Linker). Man ist einerseits unendlich glücklich, mit der AfD eine realistische Machtoption zu haben, andererseits latent besorgt, ob es beim radikalen Kurs auch bleiben wird – die Massendeportation ist nämlich eigentlich schon verbucht. Mit einem ihrer besten Kontakte in die Partei, dem immer gut gelaunten Sportwagenfahrer und SS-Versteher Maximilian Krah, gab es neulich erheblichen Knatsch, weil dieser zu erkennen gab, das eigene bequeme Leben nicht unbedingt gegen juristische Probleme (Mahler lässt grüßen) aufgeben zu wollen. Die Ängste Krahs lassen hoffen. Verloren haben wir noch nicht.