Rechter Guru

geschrieben von Juliet Schnabel

9. November 2025

Zur Deutschlandtournee von Jordan Peterson

»An Evening to Transform Your Life« – so großspurig wie leer klingt der Titel von Jordan Petersons Tour, die ihn nächstes Jahr nach München, Berlin und Frankfurt am Main führt. Die einzige Transformation, die sein junges, meist männliches Publikum dort erwartet, ist ein weiteres Abrutschen in rechte Ideologien – getarnt als Selbsthilfe eines Professors aus Kanada mit »psychologischen Einsichten und philosophischen Denkanstößen«.

Peterson inszeniert sich als intellektueller Rebell, der mit emotionalem Pseudotiefgang, selektiven Statistiken und aggressiver Rhetorik überzeugt. Dabei fallen Auschwitz-Vergleiche, und eine Twitter-Sperre wird zum Freiheitskampf hochstilisiert. Alles Teil seines Geschäftsmodells: Bücher verkaufen, Klicks generieren, Onlinekurse bewerben – Hilfe verspricht er nur, solange sie sich profitabel vermarkten lässt.

Bekannt wurde Peterson 2016, als er gegen eine kanadische Antidiskriminierungsgesetzgebung wetterte und sich als Märtyrer präsentierte, dem für seine transfeindlichen Äußerungen sogar ein Hungerstreik recht gewesen wäre. Natürlich wurde niemand je wegen dieses Gesetzes ernsthaft verurteilt – doch seine Bücher verkaufen sich seitdem hervorragend. Er ist einer dieser »Debate Bros« (Debattenbrüder), die sich gelegentlich von Nazis distanzieren, aber dennoch die Argumente für deren Weltbild liefern.

Peterson nutzt seinen Einfluss gezielt, um junge Männer zu rekrutieren – mit Verschwörungsnarrativen, Opferposen und dem ewigen »die da oben«. Er schürt Frauenhass, Antisemitismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit. Besonders auffällig ist seine Transfeindlichkeit: In einem NZZ-Interview behauptete er 2024, trans Kinder würden »verstümmelt« und seien nach einer Transition suizidgefährdeter – beides falsch. Queere Menschen beschreibt er als »zügellos« und »sexuell getrieben«, ihre Gleichstellung als »gefährlich«.

Auch die Ehe für alle lehnt er ab – als Produkt des »kulturellen Marxismus«, einer antisemitischen Verschwörungserzählung, die schon die Nazis bedienten. Diese Idee wittert er hinter Genderforschung, Befreiungsbewegungen und Kritiker:innen. Frauen und Männer könnten laut ihm nicht zusammenarbeiten, da Frauen mit Make-up die Arbeitsatmosphäre stören würden. Die Antibabypille sei »gefährlich«, da sie Frauen Macht über die Reproduktion verleihe.

Trotz zusammenhangloser und frei assoziierter Referenzen hängt er sich an der Pose des überforderten Wahrheitssuchers auf. Er leugnet den Klimawandel und geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede (Gender Pay Gap) und stilisiert sich als Opfer der sogenannten Cancel Culture – obwohl er 8,66 Millionen You-Tube-Abos, sechs Millionen Follower auf Twitter und ein Medienimperium bei Ben Shapiros »Daily Wire+« hat.

2022 warf man ihm vor, durch seine Ideologie die »Alt-Right-Szene« in den USA gestärkt und zur Radikalisierung beigetragen zu haben. Besonders in der frauenfeindlichen »Manosphäre« – von »Incels« bis zu den »Proud Boys«, die beim Sturm auf das Kapitol beteiligt waren – hat Peterson einen enormen Einfluss ausgeübt. Damals nannte man ihn noch einen gefährlichen Stichwortgeber, keinen Nazi – doch das hat sich geändert.

2023 forderte er Benjamin Netanjahu dazu auf, Gaza ohne Rücksicht zu bombardieren. Im Juli 2024 radikalisierte er sich öffentlich weiter, sprach in einem Liveinterview mit Elon Musk ständig von Gott und Jesus, sodass selbst Fans irritiert waren. Im selben Monat unterstützte er Donald Trump und äußerte Sympathien für Robert Kennedy Jr., einen Impfgegner mit eugenischen Tendenzen. Er interviewte den in der britischen extremen Rechten aktiven Tommy Robinson, forderte später dessen Freilassung – trotz Robinsons Rolle bei rassistischen Unruhen.

Im Oktober 2024 sagte der kanadische Premier Justin Trudeau unter Eid, Peterson werde von Russia Today finanziert –, was dieser bestritt, obwohl er sich oft kremlnah äußerte. So lobte er Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine als »Verteidigung der Meinungsfreiheit gegen den pathologischen Westen«.

Er vernetzt sich in den sozialen Medien mit queerfeindlichen Persönlichkeiten wie Ben Shapiro, Steven Crowder, Matt Walsh (der sich selbst als theokratischen Faschisten bezeichnet), Verschwörungsideologen wie Paul Joseph Watson und Michael Flynn sowie Organisationen wie »Alliance Defending Freedom«, die an queerfeindlichen Gesetzesvorhaben in den USA beteiligt sind. Auch Ivanka Trump darf auf seiner Liste nicht fehlen.

Seit 2022 ist klar: Zwischen Peterson und den rechten Mainstream passt kein Blatt mehr. Wer ihm heute noch folgt, steht klar rechts außen. Gerade bei jungen Männern wirkt seine Ideologie: Während junge Frauen in der letzten Bundestagswahl mehrheitlich links wählten, lag der Stimmenanteil der AfD bei jungen Männern über dem Durchschnitt. Petersons Auftritte verschärfen diese gefährliche Tendenz. Auch wenn Peterson in Deutschland noch keine Massenbasis hat, arbeiten seine Agentur CAA aus Los Angeles und die Berliner Produktionsfirma D2M GmbH stark daran, ihn auf dem europäischen Markt zu verankern.