Aussteiger mit Sprengkraft

geschrieben von Janka Kluge

9. November 2025

Erik Ahrens war Teil des Netzwerks um Sellner, Kubitschek und Krah

Erik Ahrens gehörte zu den einflussreichsten Neo-nazis der letzten Jahre. Nach eigenem Bekunden hat er seit mehreren Monaten mit der extrem rechten Ideologie gebrochen und liefert allerlei Detailwissen über die extreme Rechte. Anfang Oktober beschrieb er sich in einem Gespräch mit dem »Zentrum für Politische Schönheit« als einst überzeugten Nationalsozialisten, der daran gearbeitet habe, ein »Viertes Reich« zu errichten. Für den AfD-Kader Maximilian Krah hatte Ahrens die Wahlkampagne auf TikTok konzipiert.

Ahrens war Teil der »Identitären Bewegung« (IB) und hat zusammen mit deren Führer Martin Sellner das Konzept der »Remigration« erarbeitet. Mit der von Ahrens 2021 gegründeten »GegenUni« wurde eine Onlineplattform geschaffen, über die Texte der Neuen Rechten leicht zugänglich gemacht werden sollen. Antifaschistische Recherchen legen nahe, dass das »GegenUni«-Anmeldeprocedere von Sellner betreut wurde. Dieser rechnete ebenfalls 2021 mit den eher an Aktionen interessierten IB-Aktivisten auf X (ehemals Twitter) ab: »Es gibt eine ganze Generation an Rechten, die null Visionen und Kreativität haben«, so Sellner. Davor war auch der Mentor der IB, Götz Kubitschek, hart mit der Organisation ins Gericht gegangen. Sie habe sich mit ihrer Aktionsform, eindrucksvolle Bilder und Videos fürs Internet zu erstellen, überlebt.

Als die Gründung der »GegenUni« im Sommer 2021 an der Universität Frankfurt am Main bekannt wurde, veröffentlichte die Hochschulliste »Linke Liste« eine Erklärung. Darin hieß es unter anderem, dass ein Mitglied der Studierendengruppe SDS wegen »reaktionärer Ansichten« 2020 ausgeschlossen wurde – womit Ahrens gemeint war. Er hatte einen Lesekreis mit dem Titel »Hannes Hofbauer – Kritik der Migration« gegründet und sich im Folgenden von einem linken Studenten zu einem überzeugten Rechten entwickelt. So eng Ahrens in die Strukturen rund um Sellner, Kubitschek und Krah eingebunden war, hat er – wenn man seinen heutigen Berichten glaubt – doch einen gewissen Abstand gehalten. Neben der Ideologie war ihm immer auch der finanzielle Erfolg wichtig. So gründete er eine Firma, über die er viele seiner Aktivitäten organisierte.

Der spätere Ausstieg aus der rechten Szene verlief über mehrere Wege und lässt sich nicht genau nachzeichnen. Es geht viel um Geld und Inhalte, aber auch um gebrochene Versprechen und verletzte Eitelkeiten. In dieses Gewirr Licht zu bringen ist nicht ganz einfach. Eine wichtige Rolle muss allerdings Ahrens Partnerin gespielt haben, die mit ihm zusammen die rechte Szene verlassen hat.

Das mehrstündige Interview des »Zentrums für Politische Schönheit«mit Erik Ahrens ist hier zu finden:
youtube.com/watch?v=1dHYrVZbhX0

Das mehrstündige Interview des »Zentrums für Politische Schönheit«
mit Erik Ahrens ist hier zu finden:
youtube.com/watch?v=1dHYrVZbhX0

Ahrens soll Krah bei Mathilde Huss kennengelernt haben. Huss gehört das Luxushotel bei Potsdam, in dem im November 2023 das rechte Geheimtreffen zwischen Sellner, AfD-Funktionären sowie konservativen Millionären stattgefunden hat. Sellner hatte dort seine Vorstellung der »Remigra-tion« erläutert; Ahrens war ebenfalls zugegen. Nachdem bekannt geworden war, dass auf dem Treffen auch über die Deportation deutscher Staatsbürger gesprochen worden sein soll, gingen Teilnehmer des Treffens gegen das Rechercheprojekt Correctiv juristisch vor und gaben eidesstattliche Erklärungen ab, denen zufolge nicht über deutsche Staatsbürger gesprochen worden sei. Ahrens hatte nach seinem Ausstieg hingegen das Gegenteil eidesstattlich erklärt.

Huss stellt sich in der Öffentlichkeit gerne als biedere Unternehmerin dar, die lediglich ein Hotel betreibt. Dabei ist sie Teil eines internationalen rassistischen Netzwerks, das für die Etablierung des völkischen »Rasse«-Gedankens in Europa und den USA eintritt. Es gibt schon länger die Vermutung, dass Huss unter dem Pseudonym »Augusta Presteid« rassistische Vorträge hält. Sie kündigte auch die Veröffentlichung eines Buches an und soll versucht haben, Ahrens für das Projekt zu gewinnen.

Nachdem Gerüchte über die Anwesenheit Krahs bei dem Treffen in Potsdam öffentlich geworden waren, bat der Tagesspiegel ihn um eine Stellungnahme. Krah teilte mit, dass er »einmal als Gast einer Veranstaltung« in dem Gästehaus war. Und weiter: »Zu privaten Einladungen in private Wohnungen nehme ich keine Stellung.« Krah war als damaliger Partner von Huss wahrscheinlich häufiger in der Villa. Laut Tagesspiegel könnte es sich um ein Fest der AfD-nahen Zeitung Deutschlandkurier im Mai 2023 gehandelt haben. Neben Krah war bei dem Fest auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident und Vorsitzende der Werteunion, Hans-Georg Maaßen, anwesend. Maaßen gilt als enger Weggefährte von Mathilde Huss. Sie soll Maaßen die Dienste von Erik Ahrens empfohlen haben; dieser sollte für ihn eine Kampagne für soziale Medien entwerfen. Aufgrund der Enthüllung Ahrens’ über seine Zusammenarbeit mit Maaßen forderte dessen Stellvertreter in der WerteUnion, Jörg Meuthen, ihn zum Rücktritt auf. Tatsächlich gab Maaßen Anfang Oktober bekannt, die Partei zu verlassen.

Die Enthüllungen, die Erik Ahrens inzwischen fast täglich veröffentlicht, haben eine große Sprengkraft. Ahrens tritt jetzt öffentlich vehement für ein Verbot der AfD ein. Seine Informationen könnten der entscheidende Schritt für ein AfD-Verbotsverfahren sein.