Einendes hervorheben

9. November 2025

Der außerordentliche Bundeskongress der VVN-BdA im Stuttgart-Bad Cannstatt

Am 4. und 5. Oktober fand im Kursaal des Stuttgarter Stadtteils Bad Cannstatt ein außerordentlicher Bundeskongress (BuKo) der VVN-BdA mit 223 Delegierten statt. Zahlreiche Verbandsstrukturen der VVN-BdA hatten bereits im Vorfeld Diskussionen geführt, aus denen Dutzende Anträge für das Treffen hervorgingen. Die Bundesgeschäftsstelle in Berlin verschickte Hunderte Briefe mit Materialien an die Delegierten, und auch der Bundessprecher*innenkreis (BSK) sowie der Bundesausschuss der VVN-BdA waren in die Vorbereitung des BuKo stark eingebunden.

Der Kongress war nötig geworden, da es bei der Tagung am 1. und 2. Juni 2024 in Halle/Saale (siehe Länderseiten der antifa-Ausgabe Juli/August 2024) zu heftigen verbandsinternen Auseinandersetzungen gekommen war. Turnusmäßig findet der Bundeskongress der VVN-BdA alle drei Jahre statt. Das Treffen ist das bedeutendste Gremium der Organisation, denn alle Kreisvereinigungen entsenden ihre gewählten Delegierten zu der in der Regel zweitägigen Veranstaltung. Rund 85 Prozent der gewählten Delegierten reisten diesmal nach Stuttgart.

Diskussionen zu Frieden und Bündnispolitik

In Halle hatten insbesondere unterschiedliche Positionen zu den Themen Frieden und Bündnispolitik zu einer zähen und zermürbenden Antragsdebatte geführt. Am Ende konnte kein Leitantrag verabschiedet werden, und viele Aufgaben blieben unerledigt. Der Wunsch, dass sich derlei Szenen nicht wiederholen, war in der gesamten Organisation spürbar. Deshalb wurde im Bundesausschuss eine strömungsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die ein Aktionsprogramm mit dem Titel »80 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus: Errungenschaften bewahren! Für eine antifaschistische Zukunft in Frieden, Freiheit und Solidarität!« (siehe auch Interview im Länderteil der antifa-Ausgabe September/Oktober 2025) ausarbeitete. Ziel war es, das Einende hervorzuheben. Auch die Antragskommission nahm frühzeitig ihre Arbeit auf und verschaffte sich einen Überblick über die zahlreichen eingereichten Anträge und Änderungsanträge.

Der Kongress in Stuttgart begann am Freitag-nachmittag mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Cannstatter Hauptfriedhof, bei der an die antifaschistischen und gewerkschaftlichen Verdienste von Willi Bleicher erinnert wurde. Bleicher, Überlebender des KZ Buchenwald und »Gerechter unter den Völkern«, war ein 1907 in Cannstatt geborener Widerstandskämpfer gegen den Faschismus und linker Gewerkschafter (siehe antifa-Ausgabe Juli/August 2025). Bis zu seinem Tod 1981 war er in der VVN aktiv und Mitglied des Ehrenpräsidiums der Organisation.

Im Kongressgebäude folgten am Samstagvormittag die Begrüßungsrede der Bundesvorsitzenden Cornelia Kerth sowie Grußworte des baden-würt-tembergischen Landesgeschäftsführers Anthony Cipriano und einer Vertreterin des Verbands für das Erinnern an die verleugneten Opfer des Nationalsozialismus (Vevon). Anschließend gab es inhaltliche Beiträge von Fritz Burschel zu den Herausforderungen durch AfD und andere Neofaschisten, von Maxi Schneider zu aktuellen Entwicklungen in der Geschichtspolitik sowie von Tobias Pflüger und Paul Schäfer zu den Themen Aufrüstung und Militarisierung (siehe Seite 7).

Leitantrag beschlossen

Am gesamten Wochenende diskutierten und beschlossen die Delegierten mit großer Mehrheit einen Leitantrag (nachzulesen auf www.vvn-bda.de) sowie eine Reihe weiterer Anträge. Dazu gehörten Dokumente zur späten Anerkennung der Häftlinge mit dem schwarzen oder grünen Winkel, eine klare Stellungnahme gegen neue Berufsverbote, gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus und für die Solidarität mit betroffenen Antifaschist*innen. Zudem wurde beschlossen, dass der Bundessprecher*innenkreis nach seiner Neuwahl beim kommenden Bundeskongress keine zwei Vorsitzenden mehr haben, sondern aus gleichberechtigten Sprecher*innen bestehen wird.

Während des Kongresses arbeiteten Tagungsleitung und Antragskommission konzentriert und umsichtig, sodass sich die schwierigen Erfahrungen aus Halle nicht wiederholten. Der Wunsch, angesichts der angespannten Weltlage eine stärkere friedenspolitische Agenda zu setzen, zeigte sich in zahlreichen Änderungsanträgen zum Leitantrag am Samstag. Gegen Ende des Kongresses wurde es nochmal kontrovers: Mehrere Gliederungen hatten beantragt, die friedenspolitische Initiative »Berliner Appell« zu unterstützen, die sich unter anderem gegen neue US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ausspricht. Der Bundesausschuss hatte sich bereits mehrfach mit teils knappen Mehrheiten gegen eine Unterzeichnung ausgesprochen. Bemängelt wird, dass sich die Initiator*innen des Berliner Appells zu wenig nach rechts abgrenzten. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit kam es letztlich nicht mehr zur Abstimmung, auch zahlreiche weitere Anträge wurden daher an den Bundesausschuss überwiesen.

(red)