Verlag der Exilschriftsteller
9. September 2013
Querido: Überlebenshilfe für vertriebene Autoren und ihre
Werke
Juli-Aug. 2013
Als 1933 viele Schriftsteller Deutschland verlassen und in anderen Ländern Asyl suchen mussten, änderte sich bei den meisten mit einem Schlag auch ihre wirtschaftliche Situation. Nach den Bücherverbrennungen und den Säuberungen von Buchhandlungen und Bibliotheken von missliebigen Autoren konnten die meisten von ihnen in Deutschland keine Bücher mehr verkaufen.
In dieser Situation bot der niederländische Verleger Emanuel Querido im April 1933 Fritz Helmut Landshoff die Gründung eines Exilverlags für geflüchtete deutsche Autoren an. Der neue Verlag sollte als eigenständiges Tochterunternehmen neben dem eigentlichen Em. Queridos´s Uitgeverij MU N.V. Verlag existieren. Am 14. Juli 1933 wurde dann der Querido Verlag als Aktiengesellschaft gegründet.
Landshoff brachte nicht nur seine Erfahrung als Verleger ein, sondern auch vielfältige Kontakte zu fortschrittlichen Schriftstellern Deutschlands. Er war seit 1927 Teilhaber des Gustav Kiepenheuer Verlags, der sich durch die Veröffentlichung von Schriftstellern, die politisch links eingestellt waren, einen Namen gemacht hatte. Nach der Machtübertragung an die Nazis mussten fast alle diese Autoren fliehen. Bei Kiepenheuer waren das erste Buch von Anna Seghers »Der Aufstand der Fischer von St. Barbara« und Werke von Benn, Brecht und Joseph Roth erschienen.
In den ersten Wochen seiner Arbeit reiste Landshoff zu vielen im Exil lebenden Schriftstellern und bot ihnen Veröffentlichungen im Querido Verlag an. Dank seiner Freundschaft mit Klaus Mann konnte er diesen gewinnen, seine Zeitschrift »Die Sammlung« bei Querido zu veröffentlichen. Zu den vielen Autoren, die Querido aufnahm, gehörten Theodor W. Adorno, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Oskar Maria Graf, Max Horkheimer, Hermann Kesten, Thomas und Heinrich Mann, Erika und Klaus Mann, Ludwig Marcuse, Erich Maria Remarque, Joseph Roth, Anna Seghers und Arnold Zweig. Landshoff bot den Schriftstellern ein neues Bezahlungssystem an. Er zahlte Honorare bis sie die Manuskripte abgeliefert hatten, und nicht erst anschließend nach den Verkaufszahlen. Durch dieses System konnten viele von ihnen überhaupt erst überleben.
Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Niederlande wurde Emanuel Querido verhaftet. Er kannte als aktiver Sozialdemokrat und Jude die Gefahr, der er ausgesetzt war. Zusammen mit seiner Frau Jane Querido-Kozijn wurde er am 23. Juli 1943 von den Nazis in Sobibor ermordet. Der Verlag wurde sofort nach dem Einmarsch der Wehrmacht verboten und seine Lager zerstört. Fritz Landshoff hielt sich während der Besetzung der Niederlande in England auf. Ihm gelang 1941 die Flucht über Mexiko nach Amerika. Auch hier setzte er sich für Schriftsteller im Exil ein und gründete zusammen mit Gottfried Bermann Fischer die L.B. Fischer Publishing Corporation.
Doch an den Erfolg des Querido Verlags konnten sie nicht mehr anknüpfen. Ihr Verlag bestand nur bis 1946. 1948 gründeten sie in Amsterdam gemeinsam den Bermann Fischer / Querido Verlag. Der größte Erfolg dieses Verlags wurde die Anthologie »Klaus Mann zum Gedächtnis«. Es war gleichzeitig seine letzte Veröffentlichung.
Gottfried Bermann Fischer war bereits 1928 in den S. Fischer Verlag seines Schwiegervaters eingestiegen. Als der 1934 starb, übernahm er die Geschäftsleitung. Als der Antisemitismus der Nazis immer offensichtlicher wurde, emigrierte er 1936 nach Wien, dann nach Stockholm und später nach New York. Er übergab die Geschäfte Peter Suhrkamp, damit dieser den Verlag über die Nazizeit bringe. Peter Suhrkamp benannte ihn in Peter Suhrkamp Verlag um. Nach 1945 kam es zwischen Gottfried Bermann Fischer und Peter Suhrkamp zum Streit um die weitere Ausrichtung des Verlags. Nachdem Peter Suhrkamp das Unternehmen verlassen hatte, zog Gottfried Bermann Fischer nach Frankfurt zurück und gründete den Fischer Verlag neu. Den Autoren des Suhrkamp Verlags wurde freigestellt, bei welchem Verlag sie in Zukunft veröffentlichen wollen.
Fritz Hellmut Landshoff zog nach der Trennung von Fischer zurück nach New York und arbeite im Kunstverlag Harry N. Abrams als stellvertretender Verlagsleiter. Der Spiegel schrieb in einem Nachruf nach seinem Tod am 30. März 1988: »Dem großen Germanisten aus wohlhabenden jüdischen Haus gelang es gleich zweimal in seinem Leben, für die deutsche Literatur wichtige Verlage am Leben zu erhalten oder zu gründen (…)« Es bleibt zu ergänzen: Ohne das Engagement des Verlegers im Exil hätten viele Schriftsteller in der Fremde nicht überleben können und wir würden ihre Werke heute nicht kennen.