Ehrung im Keller der Qualen

geschrieben von Bernhard Seiffert

5. September 2013

Rund 2000 Ausländer kämpften in den Reihen der italienischen
Partisanen

Juli-Aug. 2011

Erinnerung an Rudolf Seiffert (11.7.1908 – 29.01.1945), ermordeter Widerstandskämpfer in der Berliner Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation in Italien. Sein Abschiedsbrief vor seiner Hinrichtung wurde vielfach veröffentlicht, so auch in Italien in dem Buch: »Und die Flamme soll euch nicht verbrennen. Letzte Briefe europäischer Widerstandskämpfer«, herausgegeben von Piero Malvezzi und Giovanni Pirelli, mit einem Vorwort von Thomas Mann. Dieses Buch erschien seit den 50iger Jahren mehrfach in vielen Ländern und Sprachen.

Am 25. April wird in Norditalien der Feiertag für die Befreiung vom Faschismus begangen. Dieser Tag ist insbesondere dem Gedenken an die vielen Partisanen und Widerständler gewidmet, die in den Jahren 1943 bis 1945 gegen die norditalienische faschistische Republik Salo gekämpft haben. Die Alliierten waren bereits in Süditalien gelandet, die Italiener hatten die Kämpfe eingestellt, die Deutschen hielten jedoch weiter den Norden besetzt.

Italienische Historiker haben herausgefunden, dass mit den Partisanen neben mehr als 200 namentlich bekannten Ausländern, darunter vielen Deutschen, insgesamt vermutlich bis zu 2000 Ausländer gekämpft haben. In Genua wurde deshalb am 25. April 2011 im ehemaligen Gestapogefängnis, dem sogenannten Keller der Qualen, eine Gedenkstätte und ein Museum für den internationalistischen europäischen Widerstand eingeweiht.

Stellvertretend für die deutschen Widerstandskämpfer wurden unserem Vater, Rudolf Seiffert, zwei Tafeln – italienisch und deutsch – gewidmet. Er ist am 29. Januar 1945 in Brandenburg hingerichtet worden. Selbst war er nie in Italien, hat aber Kassiber mit europäischen Gedanken als Vermächtnis hinterlassen. Nach dem Krieg war eine differenzierte Betrachtung der Deutschen in der öffentlichen Meinung Italiens viele Jahre lang nicht möglich. Ab den 50-iger Jahren gab es zwar ergebnisreiche Forschungsarbeiten, in denen Partisanen u. a. auch über deutsche Gefährten berichtet hatten, doch diese Schriften fanden keine Verbreitung.

Die Teilnahme ausländischer Partisanen an der italienischen Widerstandsbewegung, sei es einzeln oder in Gruppen, war tatsächlich bedeutend. Zum Zeitpunkt des Waffenstillstands, am 8.September 1943, entwichen viele jugoslawische, russische und englische Kriegsgefangene aus den Konzentrationslagern und gingen ins Gebirge, wo sie zur Bildung der ersten Partisaneneinheiten beitrugen. Manche von ihnen, besonders die Briten, überschritten die Frontlinie und gelangten ins befreite Italien. Andere – und dies war die Mehrzahl – blieben an der Seite der italienischen Partisanen. Eine weitere Quelle waren Angehörige unterdrückter europäischer Völker, die gewaltsam ins deutsche Heer gepresst oder als Zwangsarbeiter der Nazi-Arbeitsorganisation nach Italien gebracht worden waren. Das, was heute bekannt ist, reicht aus als Beweis für den internationalen Charakter der Widerstandsbewegung und auch um die Motive nachzuvollziehen, die die Partisanen dazu brachten, die Waffen zu ergreifen und für die eigene Freiheit und die Freiheit der anderen zu kämpfen.

Als Sohn von Rudolf Seiffert war ich im April von Professor Paolo Migone, dem Initiator einer Konferenz zur Einweihung des Museum, eingeladen worden und fand in Genua warmherzige Aufnahme und Betreuung. Ich wohnte der Konferenz mit 100 Teilnehmern in der Eingangshalle des Studentenwohnheims bei, auf der drei Redner sprachen. Nach der Konferenz habe ich meinen persönlichen Kranz mit Schleife niedergelegt und im Gedenken an unseren Vater seine Ehrentafel enthüllt. Es war eine würdevolle Zeremonie.

Professor Paolo Migone schrieb mir: »Der sogenannte Keller der Qualen wird täglich von Bürgern besucht.« Mein Dank gilt Professor Migone, Dottore Littardi und allen Studenten, die sich diesem Projekt mit großem Einsatz gewidmet haben.