Darstellung ein Tabubruch?
23. April 2015
Vom schwierigen Umgang mit der Geschichte des antifaschistischen Widerstands
Seit vielen Monaten wird die gemeinsame Ausstellung der FIR und des »Institut des Vétérans« in verschiedenen europäischen Ländern mit großer Resonanz gezeigt. Anfang 2015 wurde eine ungarische Ausgabe in Budapest und weiteren ungarischen Städten präsentiert und seit Ende März steht die Ausstellung für sechs Wochen im Foyer des zentralen Museums des Großen Vaterländischen Krieges in Moskau. Dies zeigt, welch große Bedeutung dieses Thema und welch hohe Anerkennung die Arbeit und die Ausstellung finden.
Nun kam es jedoch zu einer Kontroverse, die deutlich macht, wie kompliziert der Umgang mit diesem Thema sein kann, wenn dadurch ein kollektives Selbstbild betroffen ist. Der serbische Mitgliedsverband der FIR, SUBNOR Serbija, kritisiert mit scharfen Worten, dass auf der Tafel zum Widerstand in Jugoslawien das Bild einer Tschetnik-Einheit zu sehen sei. Er schlussfolgerte, dass eine solche Erwähnung eine Revision der Geschichte des Widerstandes darstelle.
Zum historischen Hintergrund ist zu erwähnen, dass sich völlig unstrittig die Führung der Tschetniks im Verlauf der faschistischen Okkupationspolitik zu Kollaborateuren entwickelte.
Der Führer der militärischen Einheiten der Tschetniks war Draza Mihailovic, der sich als Vertreter der »Jugoslawischen Exilregierung« sah und eine nationalistisch ausgerichtete passive Sammlung »patriotischer Kräfte« propagierte. Einige seiner Unterführer rebellierten gegen seine Passivität. Deshalb sah sich Mihailovic gezwungen, noch im Herbst 1941 mit Titos Volksbefreiungsarmee eine formelle Abmachung zu treffen. Ab Ende September kam es zu partiellen gemeinsamen bewaffneten Aktionen der Tito-Partisanen mit den »Draza – Tschetniks« gegen die deutschen Besatzer und ihre offenen Kollaborateure. Die Hauptlast des Kampfes trugen allerdings die Tito-Partisanen.
Der Versuch von Mihailovic, die Volksbefreiungsarmee militärisch auszuschalten, scheiterte im November 1941. Seit dieser Zeit kämpften die »Draza-Tschetniks« an der Seite der Okkupanten gegen die Partisanen, einige Einheiten schlossen sich jedoch der Volksbefreiungsarmee an und wurden Teil der Tito-Partisanen.
Mihailovic wurde übrigens 1946 wegen Kollaboration zum Tode verurteilt und gehängt.
Diese komplexe historische Entwicklung haben die Ausstellungsmacher versucht, auf den Tafeln unter dem Titel »Zwischen Widerstand und Verrat« und im erläuternden Text zu erfassen. Dazu findet man auch ein Bild einer Tschetnik-Einheit.
Für die ehemals jugoslawischen Veteranen war bereits eine solche Darstellung ein Tabubruch, der nur schwer hinnehmbar war. Für sie, die nach der Zerstörung der sozialistischen Grundlagen und der anschließenden gewaltsamen Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien in zweifacher Hinsicht ihrer Wurzeln beraubt waren, schien eine solche Erwähnung der Tschetnik-Einheit ein weiterer Versuch zu sein, sie ihrer historischen Identität zu berauben.
Dass weder das »Institut des Veterans« noch die FIR irgendeine Veranlassung hat, die großen Leistungen und die Opfer des jugoslawischen Partisanenkampfes in Frage zu stellen, steht außer Frage. Auch haben der Präsident der FIR und der russische Vize-Präsident im vergangenen Jahr mit ihrer Teilnahme anlässlich der Gedenkveranstaltungen zur Befreiung Belgrads vor 70 Jahren gezeigt, wie sehr sie deren historischen Beitrag würdigen. Doch bis heute ist es schwierig, einen historisch-kritischen Zugang zu dem Thema zu finden, der angemessen die Befindlichkeiten der ehemaligen Veteranen berücksichtigt.
Doch auch für die FIR ist es – im Sinne historischer Glaubwürdigkeit und einer angemessenen Weitergabe historischer Erfahrungen – notwendig, ein differenziertes Geschichtsbild unter Würdigung der Leistungen der Frauen und Männer des Widerstandes zu entwickeln. Wenn wir die »Flamme der Erinnerung« am Brennen halten wollen, müssen wir auch solch komplizierte Themen in angemessener Form aufarbeiten und in unsere Darstellung des internationalen Widerstandskampfes aufnehmen.