Die Ostermärsche machen Mut

geschrieben von Dieter Lachenmayer

8. Mai 2016

Protest und Aktionsbereitschaft sind gewachsen

 

Die Lage ist ernst: In Afghanistan findet der Krieg, mit dem die USA und ihre NATO- Verbündeten das Land seit spätestens 2001 überziehen, noch lange kein Ende, da sind schon zahlreiche weitere Länder der Politik zur Errichtung einer »Neuen Weltordnung« (George Bush, der ältere) zum Opfer gefallen. Der Irak und dann Libyen. Syrien erlebt seit drei Jahren in einem blutigen Krieg, was »regime change« mit Ansage bedeutet. Die Opfer der umkämpften und verwüsteten Landstriche wissen, warum sie die gefährliche Flucht übers Mittelmeer auf sich nehmen und zu Tausenden ertrinken. Damit nicht genug, um sie nicht aufnehmen zu müssen, unterstützten die EU unter deutscher Regie Erdogans Krieg gegen den kurdischen Teil der türkischen Bevölkerung und seinen neoosmanischen Ehrgeiz, die Türkei zur dominanten Regionalmacht zu machen, mit viel Geld, viel Waffen und militärischem Beistand. Deutschland und seine Bundeswehr sind in allen diesen Kriegen mittenmang dabei. Das reicht aber nicht: In Afrika lockt ein rohstoffreicher Kontinent zu weiteren Militär- und Bundeswehreinsätzen. Der Bundespräsident geriert zum Feldprediger und fordert bei jeder unpassenden Gelegenheit mehr militärische Verantwortung ein. Somalia, Sudan, Mali und auch Libyen sind die aktuellen Opfer.

Als ob das nicht genug wäre, suchen sowohl die USA als auch die EU unter deutscher Führung nicht in Partnerschaft, sondern in Konkurrenz in der Ukraine und anderswo am Schwarzen Meer die Konfrontation mit der Atommacht Russland. Auch dort herrscht Krieg.

Und die Friedensbewegung? Die tut sich schwer. Seit Jahren weisen die Umfragen aus, dass eine Mehrheit der Bevölkerung ihre Kernforderungen teilt: Keine Rüstungsexporte, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, Kein Krieg! Und dennoch beschließt eine überwältigende Mehrheit im Bundestag Jahr für Jahr immer wieder genau dies. Die Proteste auf den Straßen, die Aktionen, die die Friedensbewegung organisiert, flauen nicht ab. All die Jahre kamen immer wieder Tausende Menschen zusammen, um gegen Aufrüstung und Krieg zu demonstrieren, mal mehr, mal weniger. Aber sie schwellen auch nicht an, wie es dringend erforderlich wäre, um politisch mehr Wirksamkeit zu entfalten.

Doch die Ostermärsche in diesem Jahr machen Mut. Sie machen gleich dreierlei deutlich:

Die Friedensbewegung gibt es noch. Sie ist aktiv und beharrlich. Sie ist bunt und vielfältig. Sie stößt auf Zustimmung. Sie lässt sich nicht benebeln. Sie weiß, dass Kriege, Kriegseinsätze, Rüstung und Militär nicht dazu dienen »Verantwortung zu übernehmen« sondern Ausdruck einer abgrundtief verantwortungslosen Politik sind.

Protest und Aktionsbereitschaft wachsen. Wie so oft, zunächst nur allmählich. Aber es gibt viele Anzeichen, dass sich das beschleunigen könnte. Es gab nicht nur mehr Ostermarschiererinnen im Frühjahr 2016 als zuletzt, es gab auch mehr Ostermarschorte. D.h. an diesen Orten gab es zumindest neue Impulse, wahrscheinlich auch neue und mehr Menschen, die sich zusammen fanden um aktiv zu werden für den Frieden. Und tatsächlich wurden, z.B. in Stuttgart zwei neue Friedensinitiativen gegründet. Ein Einzelfall? Wenn ja, dann wäre es Zeit, es andernorts zumindest zu versuchen. Die Zeit ist reif.

Und ein Drittes: Die Friedensbewegung braucht neue Ideen, neue Mitstreiter und neue Impulse. Aber eines braucht sie nicht: Eine neue inhaltliche Ausrichtung. Die ‚Neue-Weltordnungs-Politik‘ der weltweit stärksten Militärmacht USA ist ein die Welt im wahrsten Sinne des Wortes verheerendes Übel. Aber nicht das einzige. Es gibt andere Akteure, die dabei sind oder bereit stehen, ihre imperialen Interessen mit Krieg durchzusetzen. Das Wort »Krieg« hat etwas zu tun mit »kriegen« und passt damit reibungslos in die herrschende Ideologie des Neoliberalismus: Jeder nehme sich, was er kriegen kann. Zu diesem Zweck ist der deutsche Militarismus virulent geblieben und wird seit Jahren aufgepäppelt – nicht zuletzt durch die aktuellen Pläne, den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu ermöglichen. Und der deutsche Militarismus hat in der Geschichte bewiesen, wozu er fähig ist. Krieg und Faschismus bleiben Brüder des gleichen Geistes mit gleichen Zielen. Gerade deshalb muss der Grundkonsens der Friedensbewegung der alte bleiben: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!