Kampagne »Offene Rechnung« gestartet
7. September 2016
Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) hat mehrfach auf den Missstand hingewiesen, dass die Opfer der Schwulenverfolgung unter dem § 175 StGB immer noch als rechtskräftig »vorbestraft« gelten. Ein Gutachten der Antidiskriminierungsstelle bestätigt nun die Forderungen vieler schwulen Senioren. Die Kampagne »Offene Rechnung: § 175 StGB« fordert die Bundesregierung zum Handeln auf.
Der § 175 StGB existierte in verschiedenen Fassungen vom 01. Januar 1872 bis zum 11. Juni 1994. Er stellte einvernehmliche sexuelle Handlungen zwi-schen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. In der NS-Zeit wurden zehntausende schwule Männer verhaftet, mehrere Tausend in Konzentrati-onslagern ermordet. Die Bundesregierung strich 1994 den § 175 ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch, ohne das Unrecht für die verurteilten Opfer aufzuheben. Dies ist neben anderen Aufgaben der Grund für die Gründung der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) e.V.. Wir setzen uns aktiv für die Aufhebung der Urteile und die damit verbundene Rehabilitierung der Opfer sowie für deren Entschädigung und die Aufarbeitung der Geschichte ein.
»Die Urteile vor 1945 wurden als NS-Unrecht aufgehoben und die Opfer entschädigt. Bis 1969 galt der §175 aber in seiner verschärften Nazi-Fassung fort und führte zur Verurteilung von etwa 50.000 homosexuellen Männern in der jungen Bundesrepublik«, informiert Georg Härpfer vom Vorstand der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren. »Politik und Justiz sind in der Pflicht, die Opfer nicht allein zu lassen. Seitens der Politik sind mehr als nur Verlautbarungen gefragt.«
Bundesjustizminister Heiko Maas sprach sich 2014 öffentlich unmissverständlich dafür aus, dass der Staat sich zu seiner Schuld bekennen muss. Für Maas war der § 175 StGB von Anfang an verfassungswidrig. Mit Bekanntgabe eines Rechtsgutachtens zum § 175 StGB am 11. Mai 2016 kündigte Heiko Maas einen Gesetzentwurf an.