Zwei Mitbegründerinnen der VVN
20. Januar 2017
Alice Stertzenbach (1909 – 1996)
»Ich war fest entschlossen, nicht kampflos unterzugehen, sondern so viele Menschen wie möglich zusammenzubringen, um uns zu wehren« Diesem Motto ist Alice Stertzenbach, am 13. September 1909 in Dortmund als Alice David in eine jüdische Familie geboren, ihrem ganzen Leben treu geblieben.
1933 konnte sie ihr Zahnmedizinstudium erfolgreich abschließen, die Examensurkunde wurde ihr verweigert, stattdessen war sie im Kölner Frauengefängnis eingesperrt.
Seit 1930 war Alice Heymann David – wie sie sich nach ihrer ersten Eheschließung nannte – in der KPD organisiert und auch nach ihrer Freilassung setzte sie die Widerstandsarbeit fort – nur disziplinierter und konspirativer als zuvor.
Nach ihrer Flucht im Jahre 1936 wurde sie in Amsterdam über Vermittlung des »Komitees zur Unterstützung der jüdischen Flüchtlinge« stellvertretende Leiterin des Hauses Oosteinde, eines Begegnungs- und Kulturzentrums für jüdische Flüchtlinge. Sie organisierte ein umfangreiches Bildungs- und antifaschistisches Kulturprogramm, dabei knüpfte sie wertvolle Kontakte und bildete eine Gruppe, die sich um die illegale antifaschistische Flüchtlinge kümmerte.
Nach der Besetzung der Niederlande durch die faschistische Wehrmacht arbeitete ihre Gruppe eng zusammen mit der Widerstandsgruppe von Werner Stertzenbach, die im Lager Westerbork u.a. Fluchtversuche für besonders gefährdete Menschen organisierte.
Unter Mitwirkung von Alice Heymann-David, die im Herbst 1943 selbst untertauchen musste, wurde die »Interessensgemeinschaft deutscher und staatenloser Antifaschisten« gegründet.
Nach ihrer Rückkehr 1946 nach Deutschland war sie in der Wohlfahrtspflege, Familienfürsorge und Altenpflege tätig. Die Kommunistenverfolgung während der Adenauer-Zeit blieb auch Alice Stertzenbach – wie sie nach der Ehe mit Werner Stertzenbach hieß – nicht erspart, 1958 wurde sie zu acht Monaten Haft (auf Bewährung) verurteilt.
Bis in die 80er-Jahre forderte sie eine stärkere Berücksichtigung der Sozialpolitik innerhalb der VVN-BdA und warnte vor der »Zurückschaltung des Netzes der sozialen Sicherheit auf die individuelle Absicherung der Lebensrisiken auf den einzelnen«. Sie engagierte sich in der ÖTV und ihre Solidarität mit Verfolgten hörte nie auf, konsequent setzte sie sich in den 70er Jahren für die Flüchtlinge aus Chile ein.
Trotz schwerer Krankheit mischte sie sich weiterhin politisch ein. Am 19. Februar 1996 starb Alice Stertzenbach in Düsseldorf.
Alice Stertzenbach setzte sich vehement für die Wiedergutmachung der Opfer des Naziregimes ein, – ihre eigene Wiedergutmachung hatte sie durch das Urteil von 1958 verloren. Viele Jahre leitete sie die Kommission für Sozialpolitik beim Präsidium der VVN.
Edith Leffmann (1894 – 1984)
Als Kind einer jüdischen Unternehmerfamilie in Köln am 22. Juli 1894 geboren, studierte sie Medizin, promovierte, heiratete Robert Leffmann und eröffnete in Berlin eine eigene Kinderarztpraxis. Durch ihr soziales Engagement in der Weimarer Zeit kam sie in Kontakt mit der Roten Hilfe und der KPD. Als Jüdin wurde sie von den Nazis 1933 gezwungen, ihre Arztpraxis zu schließen und kehrte nach Köln zurück. Der Sohn emigrierte gemeinsam mit den Großeltern 1939 in die Niederlande, wurde jedoch 1943 verhaftet und ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo er umkam. Die Eheleute flohen am 17. April 1939 zunächst nach Brüssel. Nach dem Tod ihres Mannes im April 1940 flüchtete Edith Leffmann weiter nach Frankreich, wo sie zuerst im Camp de Gurs interniert wurde. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie in der Résistance in Frankreich im Comité »Allemagne libre pour l‹Ouest« (CALPO) und kehrte getarnt als französische Krankenschwester zurück nach Deutschland. Hier setzte sie ihre antifaschistische Arbeit in einer Papierwarenfabrik in Eger unter den eingesetzten Arbeiterinnen fort.
Nach Kriegsende reiste sie mit dem Widerstandskämpfer Alphonse Kahn über Paris in die französische Besatzungszone ein. Sie ließ sich im August 1945 in Ludwigshafen nieder und trat der KPD bei. Sie übernahm trotz eigener gesundheitlicher Probleme unter schwierigsten Bedingungen die medizinische Versorgung der von Krieg und Entbehrung gezeichneten Patienten. In Ludwigshafen erhielt sie dafür den Ehrentitel »Engel von Hemshof«. Gleichzeitig arbeitete sie im Ludwigshafener Friedenskomitee und kandidierte 1951 für die KPD zum rheinland-pfälzischen Landtag. Sie war Mitbegründerin der VVN, die erste Vorsitzende der VVN in Rheinland-Pfalz, Mitglied im VVN-Zonensekretariat und blieb aktiv, auch als die Organisation angefeindet wurde und sie selber im August 1952 einen Strafbefehl erhielt.
Seit 1960 wohnte sie in Mannheim, wo sie am 3. Februar 1984 starb. Nach ihrem Tod setzten sich verschiedene Initiativen für eine Würdigung von Edith Leffmann ein. Erst 2013 konnte gegen den Widerstand der CDU-Mehrheit im Stadtrat eine Gedenktafel in Ludwigshafen durchgesetzt werden.
Edith Leffmann war die jüdische Vertreterin im Betreuungsausschuss für die Opfer des Faschismus, der 1950 in das Amt für Wiedergutmachung und Kontrolliertes Vermögen überführt wurde.
Beide Texte gehören zu den 25 Kurzporträts von Männern und Frauen aus der Gründergeneration der VVN, die in der Broschüre »Widerstehen: damals – heute – morgen« zum 70. Jahrestag der VVN im Frühjahr 2017 veröffentlicht werden.