»Maximal überreagieren«
26. Januar 2017
Zum Umgang mit der AfD in den Parlamenten
Auch in Berlin hat die Alternative für Deutschland (AfD) im September den Einzug in das Landes- und die zwölf Bezirksparlamente geschafft. Erstmalig seit ihrer Gründung 2013 kommt sie damit auch in den Genuss, nennenswerte Regierungsverantwortung zu übernehmen. Andernorts ist sie in Landtagen und Kommunalparlamenten bisher nur Teil der Opposition. Mit einem berlinweiten Ergebnis von 14 Prozent ändert sich das nun und die AfD muss »erwachsen« werden. In sieben Berliner Bezirken wird die Partei wohl Stadtrats-Posten besetzen und damit für die nächsten fünf Jahre mit eigenen Ressorts Bestandteil der jeweiligen Bezirksämter sein. Mit eigenem Apparat und Budget ausgestattet, werden die AfD-Stadträte allerhand beweisen müssen. Ihren Wählerinnen und Wählern, der eigenen Partei und der Öffentlichkeit. Denn sie werden zur Bundestagswahl 2017 als Beispiele für mehr oder weniger gelungene Regierungskompetenz der Gesamt-AfD herhalten dürfen. Ob sie daraus einen positiven Propagandaeffekt erzielen können, wird auch davon abhängen, wie viel Gestaltungsspielraum den AfD-Regenten in den Bezirken gelassen wird. Doch was ergibt sich außerdem, wenn eine Partei wie die AfD große Fraktionen bilden kann und das Konzept der Isolation (das beispielsweise bei der NPD sehr erfolgreich gefahren wurde) nicht mehr aufgeht?
Anti-Parlamentarische Arbeit
Seit 2014 sitzt die AfD bereits in Landtagen. Ihre Arbeit dort kann überwiegend als »anti-parlamentarisch« deklariert werden. Die Mitarbeit durch Anfragen und Eingaben verfolgt ausschließlich den Zweck, den außerparlamentarischen Markenkern zu stärken. Das Wechselspiel populistischer Kommunikationsspiralen aus lautem Tabubruch und medialer Aufgeregtheit wird in den Parlamenten fortgeführt. Insofern wird die Forderung an demokratische Parteien, den AfD-Parlamentariern »auf der Sachebene zu begegnen«, nur bedingt funktionieren. Denn es gibt für die AfD keinen Grund, sich auf die Sachebene hinabzulassen – schon gar nicht in den Kommunen. Wer die AfD also konfrontieren will, wird wohl nicht darum herumkommen, einen eigenen »Markenkern« zu entwickeln und ihn der AfD auch außerhalb der Geschäftsordnung der hohen Häuser quasi allgemeinpolitisch entgegenzusetzen. Dass dieser, als »demokratischer Konsens« bekannte, aber unbestimmte »Wertekanon«, in Zeiten aktueller Krisen und deren brutalem Management durch Nicht-AfD-Regierende, nur noch Phrase ist, tut dem keinen Abbruch. Warum die Debatte mit und gegen die AfD nicht nutzen, um einige rote Linien in Sachen Menschenwürde zu ziehen? Sehr schnell würde sich herausstellen wer AfD-Inhalte teilt, oder schon heute die Politik einer AfD von morgen betreibt, es aber anders auszudrücken vermag. Die manchmal unbedarften Provokationen der AfD können hier als dankbarer Anlass für weiterführende Debatten aufgefasst werden. Das mag zwar Unruhe ins »demokratische Spektrum« von Linke bis CDU bringen, ist aber lohnenswerter als sich einmütig gegen die AfD zu stellen und die Politik im eigenen Sinne zu vernachlässigen.
Solidarität üben
Ob nun in Regierungsverantwortung oder als unbequeme Fragestellerin, die AfD verfolgt in den Parlamenten ihre politische Agenda. Betroffene ihrer Politik sind Jugendträger, Vereine und religiöse Gemeinden, die, oft auch mit öffentlicher Förderung, in Bereichen agieren, die der AfD ein Dorn im Auge sind. Beratungsstellen für Opfer von Diskriminierung, Vereine die sich für Inklusion einsetzen, Bildungseinrichtungen die Gender-Studies betreiben usw. – je nach Ausdauer kann die parlamentarisch verankerte AfD, ihr publizistisches Echo (Junge Freiheit, Compact und Co.) und ihr auf der Straße agierendes Umfeld, Kampagnen fahren, die solchen Einrichtungen ihre Arbeit massiv erschweren. Für die AfD dient die jeweilige öffentliche Denunzierung und die als Hassobjekt auserkorene Einrichtung nur als symbolisches Vehikel. Entsprechend symbolhaft muss die Antwort lokaler antifaschistischer Bündnisse auf solche Angriffe sein. Ein »maximales Überreagieren« hat dabei mehrere Funktionen: Einerseits wird den Betroffenen gezeigt dass der Angriff gegen sie wahr- und nicht hingenommen und ihre Arbeit durchaus wertgeschätzt wird. Der Öffentlichkeit – und damit nicht nur der AfD – wird zudem signalisiert, dass Angriffe auf solche Einrichtungen ein Echo erzeugen, das zum Eigentor wird. Gleichzeitig tragen solche gemeinsam ausgetragenen Konflikte gegen die AfD dazu bei, lokale Strukturen zusammenzuschweißen, um auch größere Projekte, wie beispielsweise die nächste Kürzungswelle im Jugendbereich, gemeinsam anzugehen. Insofern ist die AfD in den Parlamenten eine Herausforderung, die über sie selbst hinausgeht.
Blumen von der AfD: SPD-Bürgermeister im Bezirk Spandau, Helmut Kleebank, bekommt zur Wahl auch von der AfD Blumen überreicht. Das Bezirksparlament hatte einen AfD-Kandidaten zum Stadtrat für »Facility Management, Umwelt und Naturschutz« gewählt.