Ich lasse mich nicht einschüchtern
15. Oktober 2017
antifa-Gespräch mit Alfred Denzinger von »Beobachter News«
antifa: Du arbeitest als Fotojournalist und betreibst eine eigene Fotoagentur, eine Website und seit einiger Zeit eine gedruckte Zeitung. Wofür das alles?
Alfred Denzinger: Ich mache das, weil ich es für eine journalistische und politische Notwendigkeit halte. Wer berichtet schon über Demonstrationen mit einer ganz klar antifaschistischen Grundhaltung und nach absolut journalistischen Grundsätzen?
Die Beobachter News entstanden, weil ich früher immer mal wieder nach der Teilnahme an einer Demonstration in den diversen Medien über diese Ereignisse gelesen habe. Nicht selten hatte ich dabei den Eindruck, die Schreiberinnen müssen auf einer anderen Demonstration gewesen sein. Der Inhalt des Berichts deckte sich oftmals nicht mit dem, was ich wahrgenommen hatte. Aus dieser Unzufriedenheit heraus entstand die Lust, eine alternative Öffentlichkeit zu schaffen. Die Idee der Beobachter News war geboren. Wir begleiten nun seit 2011 journalistisch den Protest auf den Straßen, immer dicht dran oder mittendrin. Wir berichten auch über Prozesse mit politischem Hintergrund, über Kunst und Kultur. Daneben finden sich in unserem Online-Magazin Interviews, Buchbesprechungen oder Kommentare. Die »Fotoagentur« betreibe ich aus zwei Gründen. Der Hauptgrund ist die finanzielle Notwendigkeit. Leider muss auch ich Geld verdienen. Der Verkauf unserer Fotos ist ein wichtiges Standbein, um unsere Arbeit zu finanzieren. Reich wird man damit leider nicht. Der zweite Grund ist die Verbreitung von Fotos, über die herkömmliche Fotojournalisten nicht verfügen. Es gibt immer wieder Versammlungen, bei denen die Fotojournalistinnen der Beobachter News als einzige Pressevertreter vor Ort sind. Im Zeitraum zwischen August 2012 und Dezember 2013 haben wir insgesamt neun Printausgaben der Beobachter News veröffentlicht. Die Herausgabe des gedruckten Magazins haben wir aus finanziellen Gründen eingestellt. Seit März 2014 gibt es uns wieder online unter www.beobachternews.de. Hier veröffentlichen wir täglich Beiträge.
antifa: In letzter Zeit hast du immer wieder Probleme bekommen. Beim G 20 Gipfel in Hamburg wurde Dir die Akkreditierung entzogen. Im März dieses Jahres wurde öffentlich, dass du bei der Polizei unter der Rubrik »Straftäter, linksmotiviert« gespeichert bist. Ist das vielleicht nur die Spitze des Eisbergs im Umgang mit dir und deiner Arbeit?
Alfred Denzinger: Ja, das war tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs. Die Polizei versucht mit den unterschiedlichsten Mitteln, mich und meine Kolleginnen und Kollegen bei unserer Arbeit zu behindern, sie zu erschweren, oder sie gänzlich zu unterbinden. Das fängt mit dem »im Weg stehen« beim Fotografieren an, geht über körperliche Übergriffe, bis hin zu Körperverletzungen. Der bisherige Höhepunkt war ein körperlicher Angriff auf einen unserer Fotografen durch drei Polizisten. Unser Mitarbeiter war dadurch sechs Monate arbeitsunfähig. Am Rande einer NPD-Demonstration in Weilheim/Teck griff mich ein Polizeibeamter mit einem Griff an den Hals an. Im Anschluss behauptete er, ich hätte ihn mit »Du Drecksack« beleidigt. Ich habe die Sache anders in Erinnerung. Das nützt aber nichts, wenn ein oder mehrere Polizisten das anders darstellen. Frei nach dem Grundsatz: »Ein deutscher Polizist lügt nicht«. Ich erhielt letztendlich einen Strafbefehl über 500 Euro. Die Sache mit dem Entzug der Akkreditierung beim G20-Gipfel wird ein gerichtliches Nachspiel haben. Ich habe zusammen mit weiteren betroffenen acht Kolleginnen Klage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Letztlich führen alle Schikanen gegen mich nur dazu, dass ich meine Arbeit noch überzeugter mache und meine Anstrengung verstärke. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Von niemandem.
antifa: In Göppingen ist dein Kollege Andreas Scheffel, ein international arbeitender Fotojournalist, von Nazis bedroht worden, weil er seit Jahren rechte Organisationen in der Stadt beobachtet. Wie könnt ihr euch schützen?
Alfred Denzinger: Das ist eine schwere Frage. Von der Polizei erwarte ich jedenfalls keinen wirksamen Schutz. Es gibt Vorkehrungen, die wir nicht öffentlich machen. Aber letztendlich gibt es für uns nur drei Schutzmöglichkeiten: Öffentlichkeit, Öffentlichkeit und nochmals Öffentlichkeit.
antifa: Du beobachtest seit vielen Jahren Demon-strationen gegen Nazis, und fotografierst dabei auch. Warst Du schon Angriffen von Rechten ausgesetzt?
Alfred Denzinger: Ja, Neonazis sind in der Regel ein sehr fotoscheues Gesindel. Ich war schon mehrfach Angriffen ausgesetzt. Darunter Farbanschläge auf mein Haus, zerstochene Autoreifen, Drohparolen und –zeichen an Gebäuden an meinem Wohnort und in Nachbarorten. Es gab auch schon unter den Augen von Polizeibeamten Beleidigungen und Drohungen von Neonazis gegen mich. Anzeigen führten aber nie zu einer Verfolgung. Spätestens die Staatsanwaltschaft stellte diese Strafanträge mit der Begründung »kein öffentliches Interesse« ein.
Die Fragen stellte Janka Kluge