Editorial
8. Februar 2018
Im Februar oder März könnten im NSU-Prozess in München die Urteile fallen. Fast fünf Jahre hat der längste Strafprozess in der Geschichte der Bundesrepublik dann gedauert, verhandelt wurde über zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle der neonazistischen Terrorgruppe. Aber hat der Prozess das Versprechen von Bundeskanzlerin Merkel aus dem Jahr 2012 eingelöst, dass alles unternommen werde, um die Taten aufzuklären?
Mehmet Daimagüler, Rechtsanwalt und Nebenkläger im Verfahren, verneint das entschieden. Auszüge aus seinem Plädoyer, in dem er auf die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe der NSU-Verbrechen einging, veröffentlichen wir im Spezial dieser Ausgabe (Seite 13 – 16).
Wut über die Verbrechen des NSU war für den Hamburger Regisseur Fatih Akin der Auslöser, seinen Film »Aus dem Nichts« zu drehen. Unser Autor Markus Roth geht in seiner Besprechung der Frage nach, ob dieses Rachedrama zur Erklärung des NSU-Komplexes beitragen kann. (Seite 30). »Die Wesensverwandtschaft innerhalb des rechten Spektrums tritt bei erhöhter politischer Labilität und schwindenden Handlungsspielräumen offener und aggressiver hervor – in Programmatik, Taktik, Personalien und politischem Jargon.«, konstatiert Ludwig Elm, der in seinem Beitrag die Bedingungen der Machtübertragung an die Nazis vor 85 Jahren mit heutigen Entwicklungen vergleicht (Seite 6). Elm geht davon aus, dass langwierige Krisenprozesse und soziale Spannungen antidemokratische, antisozialistische und völkisch-rassistische Bestrebungen zur militanten Verteidigung der bürgerlichen Gesellschaft mobilisieren, die sich dann als rettende Alternativen darstellen und kommt zu dem Schluss: »Verschärfte Attacken gegen die kämpferische Linke sind damals wie heute unverkennbares Merkmal und Bedingung rechtsgerichteter Sammlungen und Strategien. Sie sind als Herausforderungen anzunehmen und offensiv zu erwidern.«
Für diesen Kampf wünscht die Redaktion der antifa allen Leserinnen und Lesern auch im Jahr 2018 Gesundheit, Freude und Erfolg.
Regina Girod