Autoindustrie als Auftakt
30. Juni 2018
Ultrarechte Listen gegen DGB-Gewerkschaften
Nach der Befreiung vom Faschismus wurden neben den 1933 verbotenen Parteien auch die Gewerkschaften wieder gegründet. Die Grundlagen dafür wurden auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2 August 1945 gelegt. In § 10 des Abkommens heißt es: »Die Gründung freier Gewerkschaften, gleichfalls unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung der militärischen Sicherheit, wird gestattet.« Weil die christlichen Gewerkschaften 1933 die Machtübertragung begrüßt hatten und sich an die neuen Machthaber angebiedert hatten, blieben christliche Gewerkschaften davon ausgenommen. Erst in den fünfziger Jahren, als der Antikommunismus in Westdeutschland blühte und 1956 die KPD verboten wurde, entstanden auch wieder christliche Gewerkschaften.
Oliver Hilburger bewegt sich seit Jahrzehnten in neofaschistischen und rechten Gruppen. Er war Musiker der Naziband »Noie Werte«. Immer wieder wird die Band im Zusammenhang mit den Verbrechen des NSU-Kerntrios genannt. Zum einen, weil das Bekennervideo mit einem Lied von ihnen unterlegt ist. Zum anderen bestand das Umfeld der untergetauchten NSU-Terroristen aus Leuten aus dem Blood & Honour Spektrum. Dieser Zusammenschluss neonazistischer Musiker und Bands ist im Jahr 2000 wegen Verherrlichung des 3. Reiches verboten worden. Die Musiker von »Noie Werte« waren maßgeblich an der Gründung und am Aufbau dieses Netzes beteiligt. Hilburger distanzierte sich später von den Taten des NSU und nannte seine jahrelangen Aktivitäten in neonazistischen Gruppen und Organisationen eine »Jugendsünde«.
Er arbeitet seit vielen Jahren bei Daimler Benz in Stuttgart Untertürkheim. Dort kandidierte er für die Christliche Metallgewerkschaft (CGM) als Betriebsrat und wurde von ihr als ehrenamtlicher Arbeitsrichter in Stuttgart vorgeschlagen. Außerdem war er Beisitzer im Landesvorstand der CGM.
Nachdem 2007 durch antifaschistische Recherchen bekannt wurde, dass er ein aktiver und überzeugter Neonazi ist, distanzierte sich die CGM von ihm und entband ihn von seinen Aufgaben. 2008 verlor er das Amt beim Arbeitsgericht in Stuttgart. Erst nachdem eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen worden war, verließ er die Band »Noie Werte«. Aus Enttäuschung über seine Freunde bei der CGM, die ihn hatten hängen lassen, gründete er anschließend die Liste »Zentrum Automobil«. Bei den Betriebsratswahlen 2010 bekam die Liste so viele Stimmen, dass Hilburger als freigestellter Betriebsrat für seine rassistischen und nationalistischen Einstellungen wirken konnte.
Im Dezember 2017 trat er zusammen mit Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechten Magazins Compact, auf einem Kongress der Neuen Rechten in Leipzig auf. Außer den beiden sprachen auch Björn Höcke und Martin Sellner von der Identitären Bewegung. Hilburger wurde dort gefeiert, weil er es gewagt hat, seine rechte Gesinnung offen zu zeigen und gegen die IG Metall zu kandidieren. Auf dem Kongress wurde verabredet, bei den anstehenden Betriebsratswahlen erst einmal in den Metallbetrieben eigene Listen zu gründen, die in Zusammenarbeit mit dem »Zentrum Automobil« auftreten sollten. Außerdem wurde eine Kampagne »Werde Betriebsrat« initiiert, die von der Initiative »Ein Prozent« getragen wurde. Bei »Ein Prozent« handelt es sich um eine angebliche Bürgerinitiative, vielmehr ist es aber ein Vernetzungsprojekt der Neuen Rechten mit Konservativen, Identitären, Burschenschaftlern, AfDlern und Evangelikalen.
Oliver Hilburger hatte im Vorfeld der Betriebsratswahlen angekündigt, mit bis zu 500 Kandidaten an den BR Wahlen teilzunehmen. Im Daimler Werk in Stuttgart Untertürkheim konnte die IG Metall 37 von 47 Sitzen erreichen. Trotz einer breiten antifaschistischen Aufklärungsarbeit über das rechte Netzwerk von »Zentrum Automobil« erreichte es einen Stimmenzuwachs auf 13,2 %. Es ist jetzt mit sechs Betriebsräten, statt bisher vier, im Betriebsrat vertreten. Bei Daimler in Sindelfingen hat Zentrum Automobil 3,4 % der Stimmen bekommen und stellt damit zwei Betriebsräte.
Bei Opel in Rüsselsheim sitzt Horst Schmitt für die »Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger« (AUB) im Betriebsrat. Bei der BR-Wahl 2018 hat er wieder kandidiert, jetzt aber mit Unterstützung von »Zentrum Automobil«. Er wurde auf der Konferenz in Leipzig von Hilburger auf die Bühne geholt, um für rechte Betriebsratsgruppen zu werben.
Pünktlich für Verteil-Aktionen auf Gewerkschafts-Kundgebungen am 1. Mai und den Schlussspurt der Betriebsratswahlen gab es einen neuen Flyer von »Aufstehen gegen Rassismus«:
Darin wird erläutert, warum die AfD nicht die Partei der arbeitenden Menschen ist; was sie zu Sozialstaat, Renten, Mindestlohn, Arbeitslosengeld, Steuern und Familienpolitik sagt; es geht um »alternative Arbeitnehmervereinigungen« der AfD und mehr.