Editorial

geschrieben von Regina Girod

20. Dezember 2018

»Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!« skandierten Ende September 100 Neo-nazis bei einem Aufmarsch in Dortmund und die Polizei sah keinen Anlass, dagegen einzuschreiten. 80 Jahre nach den Pogromen vom 9. November 1938 wächst die Zahl antisemitischer Straftaten in der Bundesrepublik und das Feindbild »die Juden« feiert fröhliche Urständ. Dass dies kein Zufall, sondern Ergebnis einer lange geduldeten Entwicklung ist, weist Markus Tervooren in seiner Darstellung des eliminatorischen Antisemitismus des NSU-Netzwerks und seiner Vorgänger in Sachsen und Thüringen nach (Seite 6). Auch unser »Spezial«, das sich mit dem 9. November als Datum deutscher Geschichte befasst, erinnert an den Beginn der systematischen Judenverfolgung und den inneren Zusammenhang von Rassenideologie und Kriegspolitik (Seite 13 – 16). Aus aktuellem Anlass weist Jürgen Gideon Richter, Vorsitzender des Landesausschusses der jüdischen Gemeinden in Hessen in einem Kommentar die Gründung der Gruppe »Juden in der AfD« als »verachtenswertes propagandistisches Manöver« zurück (Seite 5).

Die Berichterstattung über den wachsenden Widerstand gegen die Rechtsentwicklung in Deutschland, bildet einen weiteren Schwerpunkt dieser Ausgabe. Thomas Willms analysiert in seinem Beitrag »Zwei Bewegungen« aktuelle Entwicklungen im politischen Kräfteverhältnis.

Der »Herbst der Solidarität« brachte in Hamburg, München und Berlin hunderttausende Menschen auf die Straße. Die VVN-BdA war überall dabei, auf Seite 9 schildern Teilnehmerinnen ihre Eindrücke.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung prominent über eine Stammtischkämpferinnenausbildung in Hamburg berichtet hat, rückt diese Form zivil-gesellschaftlicher Selbstermächtigung, an der auch viele VVN-Mitglieder mitwirken, stärker ins öffentliche Bewusstsein. Christian Schneider ist der Koordinator der Stammtischkämpferausbildung. Im Interview auf Seite 8 beschreibt er Erfahrungen, Probleme und Perspektiven der seit zwei Jahren stattfindenden Seminare.