Wiederbegegnung mit Willy
25. Januar 2019
Konstantin Wecker zu seinem Revival antifaschistischer Lieder
antifa: Warum jetzt eine neue CD mit antifaschistischen Liedern aus 40 Jahren?
Konstantin Wecker: Es ist für mich so erschreckend, dass Lieder, die ich vor 30, ja 40 Jahren geschrieben habe, heute wieder so unglaublich aktuell sind, also noch viel aktueller als damals. Ich bin groß geworden mit dem Satz »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen«. Ich hatte auch das Glück, antifaschistische Eltern zu haben. Ich werde nie vergessen, wie meine Mama, als wir in München damals zusammen gegen die NPD demonstriert haben, zu mir gesagt hat: »Schau Konstantin, da im Rathaus war das braune Pack, aber, sag‘ a Mal, die Neonazis müssen ja noch viel dümmer sein wie die Nazis damals, denn die wissen doch, wie es ausgegangen ist.« Das ist so ein wichtiger Satz. Und ich habe mir gemerkt und aufgeschrieben, was der Widerstandskämpfer Peter Gingold am 20. Jahrestag des Wiesn-Attentats bei unserer gemeinsamen antifaschistischen Demonstration auf dem Münchner Marienplatz gesagt hat: »Wenn ich sage, dass meine Elterngeneration es nicht verhindert hat, dafür gibt es für sie eine einzige Entschuldigung: Sie konnten nicht die Erfahrung haben, was Faschismus bedeutet. Diese Entschuldigung gilt nicht mehr für die heutige und alle künftigen Generationen. Darum: Nie wieder!
antifa: »Das Leben will lebendig sein«, heißt ein neues Lied auf der CD. Was bedeutet das für dich aktuell?
Konstantin Wecker: Wir leben in einer Zeit, wo wir wirklich aufpassen müssen, dass Europa nicht faschistisch wird. Wir müssen alles dafür tun in irgendeiner Weise, und jeder Einzelne muss sich wirklich dafür engagieren, dass die Demokratie bewahrt wird und gehalten wird und verbessert wird. Demokratie muss lebendig sein, sie muss immer wieder erneuert werden, sonst erstarrt sie. Das ist der Grund, warum ich mir gesagt habe, ich möchte einige Lieder nochmal einspielen, bei anderen nehme bestehende Aufnahmen und es sind neue Lieder dabei, zum Beispiel die letzte Version des Willy, die ich geschrieben habe: Im Willy 2018 wird ganz klar dargestellt, dass es für mich keinen »Kompromiss« gibt in der Flüchtlingsfrage: Wir müssen helfen, wo und wie wir können! Ich bin ein glühender Verfechter der Willkommenskultur und ich möchte sie um jeden Preis wiederbeleben. Wir haben so viele Kriege in die Welt hinausgetragen, dass wir jetzt die Verantwortung haben, allen Menschen zu helfen, die aufgrund unserer Waffen, aufgrund unserer Finanzspekulationen und aufgrund unserer Ausbeutung der Erde, auf der sie wohnen, flüchten müssen.
antifa: Was willst du mit der CD erreichen?
Konstantin Wecker: Ich möchte die CD sehr preisgünstig halten, damit sie sich möglichst weit verbreiten kann. Sie wird deshalb nur zehn Euro kosten. Diese CD ist also definitiv nicht zum Geldverdienen gemacht. Das wird auch dadurch deutlich, dass ich a.i.d.a, also der Antifaschistischen Informations- Dokumentations- und Archivstelle München e.V. einen Teil des Verkaufspreises für ihre wichtige Arbeit spende: Dort sind aufrechte Journalist*innen schon seit Langem am Werk, die eine unglaublich wertvolle antifaschistische Recherche-Arbeit machen. Diese Arbeit wollen wir mit der CD auch unterstützen.
antifa: Willst du mit den Liedern auch Mut machen?
Konstantin Wecker: Ja, unbedingt. Ich bin der Meinung, dass wir alle jetzt »Nein sagen« müssen zu dem, was da an Grausigem, Herzlosen passiert. Ich habe in den Konzerten der letzten eineinhalb Jahre etwas gespürt, das ich schon immer geahnt habe, aber was noch nie so deutlich zu Tage kam, dass Kunst unglaublich Mut machen kann, Kultur, Musik, Poesie. Ich merke, dass bei mir in den Konzerten Menschen sind, die sich oftmals denken, »was kann ich schon alleine machen?« Und vielleicht resignieren würden. Und dann sehen sie dort hunderte, manchmal tausende Andere. Dann hören sie die Lieder, mit denen sie sich zum Teil identifizieren können. Und dann kriegen sie einfach wieder Kraft, weiter zu machen. Und das ist so wichtig. Mir hat einer geschrieben, ein älterer Herr – jünger als ich, aber trotzdem ein älterer Herr: »Lieber Herr Wecker, eigentlich wollte ich den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und habe mir gesagt, in meiner Nachbarschaft sind schon so viele AfD-Leute, ich ziehe den Kopf ein, ich mache nichts mehr, man kann eh nichts mehr machen. Dann war ich in ihrem Konzert. Und sie können sich darauf verlassen: Ich mache weiter, ich engagiere mich weiter gegen diesen Wahnsinn!
Das Interview führte Michael Backmund