Wieder in Verruf geraten
9. August 2019
VVN-BdA-Bundesvereinigung soll die Gemeinnützigkeit entzogen werden
Hans-Georg Maaßen konnte als Chef des deutschen Inlandsgeheimdienst keine Menschenjagden in Chemnitz erkennen, dafür entdeckte er Linksextremisten in der SPD während er der AfD Tipps gab, wie sie einer Beobachtung durch seine Behörde entgehen könne. Der Mann konnte vom zuständigen Minister Seehofer nicht gehalten werden und musste gehen. Sein Geist aber blieb.
Am 17. Mai hat der bayrische Innenminister wieder einmal einen Bericht vorgestellt, in dem über die VVN-BdA der übliche Unsinn zu lesen ist: »Die VVN-BdA ist die bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus. Sie arbeitet mit offen linksextremistischen Kräften zusammen. In der VVN-BdA wird nach wie vor ein kommunistisch orientierter Antifaschismus verfolgt. Diese Form des Antifaschismus dient nicht nur dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Vielmehr werden alle nicht marxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potenziell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt.«
Es folgen die Mitteilung, der DKP-Vorsitzende habe die VVN-BdA als wichtigste Bündnis-Organisation bezeichnet sowie Informationen über die juristische Auseinandersetzung, die die Landesvereinigung Bayern vorläufig verloren hat.
Bereits einen Tag zuvor hatte die Bundesvereinigung Post vom Finanzamt für Körperschaften Berlin 1 erhalten. Darin die Mitteilung, unter Berufung auf die »Verrufserklärung« im bayerischen VS-Bericht, beabsichtige man, uns die Gemeinnützigkeit für die zurückliegenden drei Jahre zu versagen.
Da Rechtsanwalt Eberhard Reinecke in gleicher Angelegenheit bereits 2012 die Kamerad*innen in Rheinland-Pfalz erfolgreich vertreten hat und derzeit auch gegenüber den Finanzämtern in NRW tätig ist, haben wir ihm sofort auch das Mandat für die Bundesvereinigung erteilt und er hat dem Finanzamt mitgeteilt, dass
• die VVN-BdA auch im bayerischen VS-Bericht nicht als »extremistisch« eingestuft wird, was die juristische Grundlage für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wäre, sondern als »extremistisch beeinflusst«, was dies eben nicht begründet
• der bayrische VS nicht für die Bundesvereinigung zuständig ist und
• wer den Bezug auf den Schwur von Buchenwald für einen Beleg dafür hält, dass »in der VVN-BdA wird nach wie vor ein kommunistisch orientierter Antifaschismus verfolgt« werde, offenbar Geschichtsunterricht bei Herrn Höcke genommen habe.
Ebenso führte er aus, dass offensichtlich Antifaschismus insgesamt durch die Formulierung »kommunistisch orientierter Antifaschismus« diskreditiert werden solle und verweist auf den Blutzoll, den Kommunistinnen und Kommunisten für ihren großen Anteil am antifaschistischen Widerstand entrichtet haben.
Ganz zentral ist auch der Hinweis auf die Ausführungen des bayrischen Verwaltungsgerichtshof im Urteil gegen die Klage der VVN-BdA: »Die Aussage, die Klägerin sei maßgeblich von linksextremistisch eingestellten Personen – insbesondere solchen mit der DKP-Mitgliedschaft – beeinflusst, ist keine eines Nachweises zugängliche Tatsachenbehauptung, sondern eine von der Behörde im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung nach Vorliegen bestimmter Tatsachen gestützte Anhaltspunkte vorgenommene Bewertung.«
Alles in allem macht die Argumentation von RA Reinecke nicht nur deutlich, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit keine rechtlich haltbare Grundlage hat, sondern auch, dass die regelmäßigen Berichte des VS Auskunft über Bewertungen durch den Geheimdienst, nicht aber über Tatsachen gibt. Damit verraten diese Veröffentlichungen deutlich mehr über ihre Urheber als über die von ihnen Beobachteten und Diskreditierten.
Da wir auch in der Zukunft mit weiteren Angriffen auf Bundes-, Landes- und – wo es sich um eigenständige eingetragene Vereine handelt – auf Kreisebene rechnen müssen, laden wir alle Landesvereinigungen zu einer Strategieberatung mit unseren Anwält*innen und einem Vertreter der »Allianz Rechtssicherheit«. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Beratung wollen wir noch in diesem Jahr zu einem Parlamentariergespräch einladen. Dort muss es sowohl um die Frage der Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements als auch um das Ende der regelmäßigen »Verrufserklärungen« durch den Inlandsgeheimdienst gehen – am besten durch dessen Abschaffung!
Die zunehmende Radikalisierung und Militanz der extremen Rechten in Deutschland erfordert Widerstand. Dass dieser nicht von der Behörde mit dem schönfärberischen Namen »Verfassungsschutz« zu erwarten ist, wurde im Fall des Mörders von Walter Lübcke deutlich.
Widerstand gegen die Rechtsentwicklung im Land, gegen militante Nazis, gegen die AfD, aber auch gegen alle, die sie verharmlosen und ihr politisch entgegenkommen, indem sie rechte Forderungen zum Teil ihres eigenen Programms machen, kommt von den mobilisierenden Teilen der Zivilgesellschaft. Deren Arbeit nicht zu behindern, sondern zu fördern, muss mit Nachdruck gefordert werden.