Das »gesunde Volksempfinden«
15. August 2019
Änderung im Staatsbürgerschaftsrecht und Verschärfungen bei der Migration
Im Staatsbürgerschaftsrecht wurde Ende Juni die Möglichkeit ausgebaut den deutschen Pass zu entziehen. Ein entscheidendes Kriterium – die »Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse« – bleibt undefiniert und erinnert an den ebenso undefinierten Rechtsbegriff des »gesunden Volksempfindens« im Gesetzeskanon des Nationalsozialismus. Diesem Geist des unterstellten Willens der Mehrheitsbevölkerung folgt auch das kurz vor der Sommerpause durchgepeitschte Gesetzespaket zur Migrationsbegrenzung bei gleichzeitigem Fachkräftezuzug.
Auch der Bundesrat ist den Bedürfnissen der Wirtschaft nach Zuwanderung gut ausgebildeter Nicht-EU-BürgerInnen einerseits und den rassistischen Forderungen zur Drangsalierung von Flüchtlingen andererseits nachgekommen. Zukünftig wird es noch mehr zwangsweise in Sammellagern untergebrachte Flüchtlinge geben, die noch länger in Abhängigkeit staatlicher Leistungen leben sollen und zudem noch weniger Chancen auf Teilhabe haben werden. Zusätzlich werden die Zugriffsrechte der Polizei auf die Unterkünfte erhöht und Abschiebungen weiter vereinfacht.
Damit hat sich Bundesinnenminister Seehofer mit seinen Vorhaben durchgesetzt. Dennoch sprechen viele von einer »historischen Wende« Deutschlands zu einem Einwanderungsland und erkennen nicht den Kern der Spaltung von guten MigrantInnen – im Sinne der Erwerbsmigration, und schlechten MigrantInnen, die hier Hilfe suchen. Denn die Kritiken an den einzelnen Verschärfungen verschwanden im Nebel dieser riesigen Gesetzesinitiative. Seehofer hat seine Strategie dazu sogar offengelegt: »Man muss Gesetze kompliziert machen. Dann fällt das nicht so auf.« Umso pointierter hätte der Widerstand dagegen argumentieren müssen.