Mut und Ideenreichtum
19. September 2019
Die Geschichte des Ho-Chi-Minh-Pfads in Vietnam
Mit seinem neuen Buch »Ho-Chi-Minh-Pfad – Meisterwerk Zehntausender« erweist sich Hellmut Kapfenberger erneut als profunder Kenner und aufrichtiger, solidarischer Freund Vietnams. Der ehemalige Korrespondent für DDR-Medien erlebte vor Ort die barbarische, durch nichts zu rechtfertigende US-amerikanische Aggression und den mutigen, entschiedenen Widerstand des um seine Freiheit ringenden vietnamesischen Volkes. Mit besonderer Aufmerksamkeit wendet sich der Autor einem der wesentlichsten Faktoren in diesem Krieg zu, dem Ho-Chi-Minh-Pfad. Dabei handelte es sich um eine militärische Nachschubtrasse von gewaltiger Dimension, die in die Militär- und Kriegsgeschichte als »eine der größten Errungenschaften militärischen Ingenieurwesens des 20. Jahrhunderts« (U.S. National Security Agency) einging.
Was pathetisch klingt, beschreibt Kapfenberger stets im historischen Kontext als einen außerordentlich komplizierten Prozess, der bereits 1959 unter größtmöglicher Geheimhaltung begann. Die beeindruckende Fülle der Fakten weist auf die Kompetenz des Autors und erzeugt größte Hochachtung vor dem Mut, dem Ideenreichtum und dem Kampfeswillen der Vietnamesen. Zunächst zu Fuß mit schwerem Gepäck (Nahrungsmittel, Medikamente, Bekleidung, Waffen, Munition …), dann mit Lasttieren, beispielsweise auch Elefanten, mit Fahrrädern, zu Lastenträgern umgebaut, beladen mit einhundert bis einhundertfünfzig Kilogramm und nicht selten mit viel größerer Last, später mit Fahrzeugen und Schiffen, gelangten geschlossene Einheiten der Volksarmee und dringend benötigtes Nachschubmaterial vom Norden in den Süden Vietnams.
Umfangreiche Hilfen für den Süden konnten zusätzlich auf dem Seeweg realisiert werden. Unter den Bedingungen US-amerikanischen Bombenkrieges war eine mehrere tausend Kilometer lange, verzweigte Nord-Süd-Rohrleitung für Kraftstoffe und Öl durch das Truong-Son-Kettengebirge verlegt worden.
Mit vielen Details belegt Kapfenberger, wie Zehntausende mit unglaublicher Opferbereitschaft unter ständiger Lebensgefahr den geheimen, strategisch klugen Plan mit hoher Moral und teilweise bis zur physischen Erschöpfung verwirklichten. Trotz enormer Opfer behielt die Trasse ihre beispiellose Vitalität. Der Jahrzehnte währende Kampf fand bekanntlich seinen Abschluss mit der eklatanten Niederlage der scheinbar übermächtigen USA und ihrer Vasallen im April 1975 und in der Proklamation der Sozialistischen Republik Vietnam.
Abschließend findet sich ein Zitat des einflussreichen US-Politikers J. W. Fulbright: »[…] Bleibt die Frage: Was haben wir aus Vietnam gelernt? […] Die Antwort, wenig oder nichts. […] Es gibt keine größere menschliche Eitelkeit als die Überzeugung, die eigenen Wertvorstellungen seien allgemein gültig, und keine größere Torheit als den Versuch, eine bestimmte Gesellschaftsform, der man den Vorzug gibt, einer widerstrebenden Welt aufzuzwingen. Das ist das allermindeste, was wir aus der Tragödie von Vietnam gelernt haben sollten […]« (S.443)
Wer denkt da nicht an Kuba, Chile, Venezuela, Nicaragua, Irak, Iran … und an die gerade verkündete Absicht, die Aufwendungen für die Bundeswehr enorm zu erhöhen?
In den sechzehn Jahren seines Bestehens entwickelte sich der Ho-Chi-Minh-Pfad zu einem wahren Spinnennetz für Nachschubtransporte in den Süden Vietnams, das sich teilweise auch über Gebiete von Laos, Thailand und Kambodscha erstreckte.