Neu in der VVN-BdA
24. Februar 2020
Ein Gespräch mit Jenny Haas aus Offenburg
antifa: Was verbindest Du mit VVN-BdA?
Jenny Haas: Mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) verbinde ich in erster Linie klare antifaschistische Arbeit, ob im Bereich des Gedenkens oder in der Bildungsarbeit. Als Aktivistin gegen Rechts kenne ich die VVN-BdA auch als verlässlichen Partner. Wenn ich nun sehe, dass diese Arbeit nicht mehr gemeinnützig sein soll, ist es für mich dringend geboten, ein Zeichen der Solidarität zu setzen, und dies nicht nur durch tiefe Verbundenheit, die über die Jahre gewachsen ist, sondern eben auch durch eine ordentliche Mitgliedschaft in der Vereinigung.
antifa: Wie kam es dazu, dass du schon in jungen Jahren angefangen hast, dich gegen Nazis zu engagieren?
Jenny Haas: Wir, als die dem nationalsozialistischen Regime nachfolgenden Generationen, haben eine besondere Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen, und aus der Rückschau heraus die Gegenwart zu gestalten. Ob das nun in der Gedenkarbeit ist oder eben in der Benennung und Bekämpfung von tief verwurzelten, strukturellen faschistischen Einstellungen. Die Aufarbeitung des Geschehenen hat nach der Befreiung vom Faschismus meines Erachtens nach nur unzureichend stattgefunden. Täter wurden nicht benannt und ganze Opfergruppen wie die Sinti und Roma als solche nicht anerkannt – zum Teil bis heute nicht. Ein Blick in die Geschichte meiner Geburtsstadt ordnete die Dinge nochmal neu: Ein Wegschauen ist dann nicht mehr möglich gewesen für mich.
antifa: In diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal die Ermordung kranker Menschen im Rahmen der »Aktion T4«. Ein Thema, dass dir besonders am Herzen liegt?
Jenny Haas: Ich arbeite seit 20 Jahren in der Psychiatrie, deshalb komme ich nicht an diesem Thema vorbei, zeigt doch der organisierte und legitimierte Mord an den Schwächsten der Gesellschaft nicht nur das menschenverachtende Weltbild der Nationalsozialisten, sondern auch und vielleicht gerade, das Hineinwirken der nationalsozialistischen Ideologie in die vermeintlich humane Ärzteschaft. Wenn ich dann diverse Kleine Anfragen der AfD im Bundestag zum »volkswirtschaftlichen Verlust durch die nicht genutzten Erwerbspotentiale« von psychisch kranken Menschen lese, sehe ich deutliche Parallelen zu 1933, und dann wird es umso mehr zur Pflicht, dieses menschenfeindliche Weltbild auch der AfD klar zu benennen, einzuordnen und dagegen aufzustehen.
antifa: Du bist seit vielen Jahren in Offenburg aktiv im Kampf gegen Nazis. Als Sprecherin von Aufstehen gegen Rassismus bist du auch in der Öffentlichkeit präsent. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Jenny Haas: Jede Menge, gute wie schlechte. Ich erlebe, gerade bei der Gedenkarbeit, enorm viel positive Reaktionen von jungen Menschen, die sehr interessiert sind an dem, was in »ihrer« Stadt damals passiert ist, und die in der Auseinandersetzung mit den Biografien Schlüsselerlebnisse haben. Auch in der Auseinandersetzung mit der aktuellen, völkisch-nationalen Politik erfahre ich viel Zuspruch aus der Bevölkerung – aber eben auch viel Gegenwind. Ich werde auch immer wieder mal von verschiedenen Vertretern der neuen Rechten angefeindet und sogar bedroht. Das sehe ich als Ausdruck dessen, dass unser kraftvolles Engagement im Einsatz gegen Rechtsextremismus und Rassismus dort Wirkung zeigt.
antifa: In Offenburg findet Ende April der nächste Bundesparteitag der AfD statt. Hast du eine Idee, warum sich die AfD ausgerechnet deine Stadt ausgesucht hat?
Jenny Haas: Die AfD war ja schon mehrere Male hier in Offenburg. Das liegt zum einen sicher an der sehr günstigen Verkehrsanbindung, zum anderen aber wohl auch an der mangelnden Gegenwehr der Verantwortlichen meiner Stadt. Aus unserer Sicht gibt es von Seiten der Stadt keine ernstzunehmenden Versuche, die AfD oder auch die sogenannte »Identitäre Bewegung« fernzuhalten. Man könnte also sagen, die AfD hat durchaus positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Stadtspitze und der Stadtverwaltung gemacht. Zum anderen denke ich, dass auch die gute und intensive Vernetzung der regionalen AfD mit neurechten Strukturen und dem rechtsradikalen Flügel, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, eine Rolle spielen. Und man muss auch eines klar aussprechen: Die hiesige AfD ist nicht Mitläufer im Rahmen des sich zurzeit ausbreitenden Faschismus, sondern Täter. Aber wir sind kein ruhiges Hinterland: Wir wehren uns gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und andere Formen der gruppenbezogenen Diskriminierung. Deshalb wird es auch am 25. und 26. April wieder einen lauten und kraftvollen Gegenprotest geben. Wir mobilisieren gerade bundesweit dazu und laden jeden ein, sich an der aktiven Verteidigung der demokratischen Strukturen, die uns das Leben in einer weltoffenen und vielfältigen Gesellschaft ermöglichen, zu beteiligen. Nur im Austausch mit anderen kann sich der Mensch gesellschaftlich, kulturell und auch wirtschaftlich weiterentwickeln. Nationalismus hingegen bedeutet Stillstand.
Ich kümmere mich inzwischen auch um die Stolpersteine in Offenburg. Für mich sind diese Gedenktafeln nicht nur Erinnerungsort, sondern auch sichtbar gewordene Mahnung an zukünftige Generationen. Mit der Rekonstruktion und Veröffentlichung der Biografien von Opfern werden darüber hinaus auch die Täter benannt.