Gegen die Republik
23. März 2020
Vor 100 Jahren scheiterte der Kapp-Putsch
Schon früh war in der Weimarer Republik in der nationalistischen Rechten die Zuversicht gewachsen, dass das »republikanische Zwischenspiel« an sein Ende gekommen wäre. Besonders in den »Freikorps« sammelte sich der Kern eines kämpferischen, antidemokratischen Nationalismus, für den die verfassungsmäßige Regierung der »Novemberverbrecher« einfach nur eine »Schandregierung« war.
Am Morgen des 13. März 1920, Punkt 7 Uhr, marschierte mit der verbotenen Reichskriegsflagge an der Spitze und mit klingendem Spiel die Marinebrigade Ehrhardt durch das Brandenburger Tor. Auf den Stahlhelmen prangte bereits ein aufgemaltes Hakenkreuz. Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrags sollten Freikorps und Reichswehr von mehr als 500.000 Bewaffneten auf 100.000 (plus 15.000 Mann für die Reichsmarine) reduziert werden. Das schmeckte den Betroffenen natürlich nicht. Die reguläre Reichswehr, deren Aufgabe es gewesen wäre, die Regierung zu schützen, weigerte sich, gegen die Putschisten zu kämpfen. Reichswehr-Truppenamt-Chef von Seeckt soll gesagt haben »Truppe schießt nicht auf Truppe«. Wolfgang Kapp war ein hoher Verwaltungsbeamter, seine nächsten Mitverschwörer waren General Walther von Lüttwitz und Erich Ludendorff.
Reichpräsident Friedrich Ebert, Reichskanzler Gustav Bauer (beide SPD) sowie der Großteil der Minister entkamen knapp nach Dresden und flohen von dort weiter ins sicherere Stuttgart. In dieser bisher schwersten Krise der jungen Weimarer Republik sprangen die freien Gewerkschaften unter Führung von Carl Legien in die Bresche. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) rief zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände (AfA) die ArbeiterInnen, Angestellten und BeamtInnen zum Generalstreik gegen die Putschisten auf. Die gleiche Parole wurde vom Vorsitzenden der SPD, Otto Wels, ausgegeben. USPD, der Deutsche Beamtenbund und liberale Gewerkschaften standen nicht abseits. Obwohl der christliche Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) offiziell den Generalstreik ablehnte, schloss er sich de facto dem Kampf an und auch die Führung der (damals noch sehr kleinen) KPD, die sich zunächst dem Kampf für die Rettung der demokratischen Republik verweigert hatte, entschied sich schließlich zum Mitmachen.
Der Generalstreik entfaltete sich mit voller Macht; er entzog den Putschisten den Boden. Carl Legien erwies sich während des Generalstreiks nicht nur als glänzender Organisator und Koordinator, sondern er wurde auch zum Dreh- und Angelpunkt zwischen Reichsregierung, Koalitionsparteien, USPD und der mobilisierten Arbeiterschaft. Und man entwickelte politische und soziale Forderungen, die der Weimarer Republik ein stabileres Fundament geben sollten (Sozialisierung von Bergbau und Energiegewinnung, Demokratisierung der Verwaltung und der Betriebe, Ausbau der Sozialgesetzgebung etc.). Eine wirkliche Chance, das in der Novemberrevolution Versäumte nachzuholen, bestand allerdings nicht. Jedoch musste auch der unpopuläre Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) zurücktreten.
In Berlin, Mitteldeutschland und vor allem im Ruhrgebiet ging der Generalstreik in linke Aufstände über. Die »Rote Ruhrarmee« beherrschte nach schweren, oft brutalen Kämpfen zeitweise fast das ganze Ruhrgebiet. Aber nicht lange, denn bald wurde reguläre Reichswehr gegen diese Aufständischen eingesetzt und es entfaltete sich ein »weißer Terror«. Bereits im Juni 1920 fanden Reichstagswahlen statt, deren Gewinner die nationalliberale DVP und die rechts außen angesiedelte DNVP waren, dem Kabinett gehörten keine Sozialdemokraten mehr an. Für die nächsten acht Jahre wurde das katholische Zentrum die tragende Regierungspartei. Wobei schon dreieinhalb Jahre später der nächste Putsch von rechts passierte, am 9. November 1923 von Hitler und Ludendorff in München. Wolfgang Kapp floh nach Schweden und stellte sich im Frühjahr 1922. Den Hochverratsprozess vor dem Reichsgericht in Leipzig erlebte er nicht mehr, er starb nach einer Operation am 12. Juni 1922 im St.-Georg-Krankenhaus in Leipzig. Der erfolgreiche Generalstreik gegen den Kapp-Putsch lehrt, dass eine demokratische Gesellschaft starke, freie, politische Gewerkschaften und GewerkschafterInnen braucht. Damals wie heute.