Kalkulierte Kontroverse
21. Oktober 2020
Interview mit Nika Blum von Peng! zur Aufregung um Antifa-Ausstellung in Chemnitz
Das Aktivist*innen-Kollektiv Peng! wurden eingeladen, für die Ausstellung »Gegenwarten« im Rahmen der Chemnitzer Bewerbung zur Kulturhauptstadt einen Beitrag mit Sachsen-Bezug zu erarbeiten. Als politische Künstler*innen fiel die Wahl sofort auf das Thema Antifaschismus. Unter dem Slogan »Sachsen braucht die Antifa, und die Antifa braucht Geld« werden nun seit dem 15. August in der Kunstsammlung Chemnitz zehn Exponate antifaschistischen Engagements gezeigt. Unter anderem hat die VVN-BdA Regensburg ein Transparent beigesteuert. Die Objekte sollen die Vielfältigkeit von Antifaarbeit – von bürgerlich bis autonom – darstellen. Peng! will damit das mediale Zerrbild von Antifa auflösen und fragt nach »Mythos & Wahrheit« von Antifaschismus.
antifa: Ihr habt rund die Hälfte eures Projektbudgets für die ausgestellten Exponate ausgegeben und damit antifaschistische und antirassistische Initiativen unterstützt…
Nika Blum: … aber nicht nur die Urheber*innen der Exponate haben jeweils 1.000 Euro bekommen. Wir haben die Exponate am 22. August auf ebay versteigert und über 6.700 € eingenommen, die nun an das Alternative Jugendzentrum Chemnitz gehen. Uns war wichtig, nicht nur auf die Geldnot von antifaschistischen Initiativen aufmerksam zu machen, sondern daran auch etwas zu ändern.
antifa: Es gab im Vorfeld Proteste von CDU und AfD, aber auch von der FDP gegen eure Beteiligung an »Gegenwarten«. Kurz vor der Eröffnung wollte die Kunstsammlung euch noch rausschmeißen.
Nika Blum: Die Aufregung aus dem rechten und konservativen Lager war von uns einkalkuliert. Wir sind ja gezielt damit in die Öffentlichkeit gegangen, dass wir eine fünfstellige Summe aus Steuermitteln an Antifas verteilen, die sonst mit wenig Achtung und viel staatlicher Repression bedacht werden. Wir wollten mit der Ausstellung aufzeigen, dass jede Form von Antifaschismus immer auch kriminalisiert und öffentlich diffamiert wird. Die heftigen Reaktionen auf unser Konzept hat uns Publicity gebracht, aber auch die These der Ausstellung untermauert. Hingegen hat uns der Versuch seitens der Kunstsammlung einen Ausstellungstext zu ändern, doch ziemlich verblüfft. Diese altehrwürdige Kulturinstitution konnte es nicht ertragen, dass wir in einem der Texte schreiben, dass CDU, AfD und FPD Anhänger*innen der Hufeisentheorie sind. Diese Binsenweisheit der Politikwissenschaft zu tilgen, indem einen Monat vor der Wahl des Chemnitzer Oberbürgermeisters ein Neutralitätsgebot staatlicher Einrichtungen aus dem Hut gezaubert wird, ist nicht nur ein Eingriff in die Kunstfreiheit, sondern hätte unserer Ausstellung wesentlichen Inhalt genommen. Die Mär von der liberalen Mitte, die vom Extremismus an den Rändern der Gesellschaft unter Druck gerät, war weder in der Weimarer Republik richtig, noch heute. Dieser Zensurversuch kam uns natürlich gelegen, weil wir geübt darin sind, so etwas zu skandalisieren. Wir haben uns dann mit dem Leiter darauf geeinigt, dass die Kunstsammlung ein Schild hinstellen darf, dass sie sich von der Nennung der Parteien distanzieren. Sowas spricht natürlich auch Bände.
antifa: Die Sichtbarmachung von politischen Konflikten mit dem Mittel einer kalkulierten Inszenierung von Provokation und Reaktion ist nicht neu. Wie geht ihr als Kollektiv vor, wenn ihr ein Thema in die Öffentlichkeit tragen wollt?
Nika Blum: Wir nutzen künstlerische Mittel, um politische Inhalte zuzuspitzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich mit Kunst auf der Ebene von Denk- und Erlebniswelten mehr reißen lässt, als mit klassischen politischen Aktionen. Demos stehen beispielsweise immer unter polizeilichem Vorbehalt – Kunst kann sich einfach mehr erlauben. Chemnitz ist natürlich nicht verallgemeinerbar, aber wir können festhalten, dass es mindestens eines griffigen Slogans bedarf, der auch andere Deutungen zulässt. Wir knüpfen in Chemnitz an Bestehendes an und bieten einen neuen Blickwinkel. Da ist zum einen diese rechte Verschwörungstheorie, dass alle Antifas vom Staat bezahlt werden. Wir reiten aber auch bewußt auf der Welle von Vorurteilen und diskursiven Bildern wie dem »Kantholz«, das ja bei dem Angriff auf den AfD-Mann Magnitz letztes Jahr überhaupt nicht zum Einsatz kam, aber trotzdem eine Debatte um antifaschistische Militanz anzettelte. Das ist ein gutes Objekt, um es einem breiten Publikum nochmal zu zeigen und zu fragen, was sie denn damit verbinden und woher das kommt. Unsere Zielgruppe in Chemnitz ist das bürgerliche Milieu, das die Hochkultur schätzt und sich selbst aus Politik raushält oder vielmehr das Privileg hat, sich als Nichtbetroffene raushalten zu können. Unsere Kunst soll wehtun und eine Selbstreflektion anregen. Dazu müssen wir die Grenzen des guten Geschmacks überschreiten und mit den breit anerkannten Sichtweisen brechen. Wir begleiten alle unsere Kampagnen mit aufwändiger Gestaltung, SocialMedia und Videos, die an Werbeästhetik erinnern und stark überspitzen. Diese Mittel funktionieren nicht nur beim Kommerz.
Die Ausstellung GEGENWARTEN | PRESENCES ist ein Projekt der Stadt Chemnitz, veranstaltet von den Kunstsammlungen Chemnitz zusammen mit dem Kulturbetrieb Chemnitz. Geöffnet 15. August bis 25. Oktober 2020, Dienstag bis Sonntag, 13 bis 18 Uhr. gegenwarten.info
Peng! e.V. ist ein Kollektiv das Aktionskunst mit dem Ziel entwickelt, die Zivilgesellschaft zu mutigeren Kampagnen zu bewegen. Mehr zu aktuellen Kampagnen unter www.pen.gg