Alle unter Kontrolle?

geschrieben von Ulla Jelpke

5. September 2013

Sept.-Okt. 2010

Die Auseinandersetzung mit den Themen Datenschutz und Bürgerrechte wird in der öffentlichen Wahrnehmung von liberalen und an den Grünen orientierten Kräfte geprägt. Das gilt insbesondere für den Bereich des Web 2.0.

Wie so oft entspricht die Wahrnehmung nicht ganz der Realität. Tatsächlich finden im Protest gegen die ausufernden Kontrollgelüste von Staat und (!) Kapital Gruppierungen zueinander, die sonst nur wenig miteinander zu tun haben. Auf welcher Demo marschiert schon zwischen FDP-Anhängern, Grünen und Linken ein antikapitalistischer Block mit?

Das mediale Hintertreffen, bei dem linke Gruppen in diesem Zusammenhang mitunter landen, mag teilweise dem Umstand geschuldet sein, dass das Thema Überwachungsstaat eben gerade für Linke nichts Neues ist. »Wir« haben schon gegen das Sozialistengesetz im Kaiserreich demonstriert. Wir haben anhand der Sonderparagraphen 129ff sehr deutlich registriert, in welche Richtung der Staat geht. Die Absicht von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz, uns unter Kontrolle zu halten, blieben uns nicht verborgen. Nun kommt eben noch die Vorratsdatenspeicherung dazu, und siehe da: Auch das Bürgertum wird nervös. Denn jetzt sind es nicht mehr nur politische oder gesellschaftliche Randgruppen, die betroffen werden, sondern kurzerhand: alle.

Die neuen »Antiterrorgesetze«, die immer noch geplante Vorratsspeicherung, die biometrischen Erfassungen, SWIFT und ELENA usw. sind mehr als die Erweiterung alter Überwachungsstrategien. Ihr Präventivcharakter ist unübersehbar: Es geht um die Vorbereitung auf mögliche, in der Zukunft denkbare »Gefahren« für den Staat, und das heißt stets auch: Um die Abwehr sozialer Unruhen, die Kontrolle potentiell revolutionär-radikaler Strömungen. Die Mischung aus herkömmlicher Observation mit unsichtbaren High-Tech-Methoden, insbesondere die Vernetzung unzähliger Datenbanken, machen eine nahezu unbegrenzte Kontrolle unserer Wege, Kontakte und Handlungen möglich. Dagegen sind breite Bündnisse nötig – Antifaschistinnen und Antifaschisten inbegriffen.