„Auch sie waren dagegen“

geschrieben von Renate Hennecke

5. September 2013

Konferenz über deutschstämmige Antifaschisten aus der CSR

Jan.-Feb. 2007

Insgesamt ist die Dokumentation von ca. 100 Lebensgeschichten deutschstämmiger Antifaschisten aus der CSR geplant. Das Museum von Ustí nad Labem ruft dazu auf, bei der Suche nach ihnen zu helfen. Näheres unter www.zapomenutihrdinove.cz/de

In Ustí nad Labem (Aussig, Nordböhmen) fand Mitte November eine Konferenz unter dem Motto „Auch sie waren dagegen“ statt. Gemeint waren ehemalige tschechoslowakische Staatsbürger deutscher Nationalität, die sich während der Bedrohung und Besetzung durch Hitlerdeutschland auf die Seite der Tschechoslowakischen Republik stellten, für deren Befreiung kämpften oder durch das Naziregime verfolgt wurden.

Sie zu ehren und ihre Lebensgeschichten zu dokumentieren, beschloss die (damals noch sozialdemokratisch geführte) tschechische Regierung unter Ex-Premier Jirí Paroubek im August 2005. Sie leitete damit eine kritische Auseinandersetzung mit Ereignissen in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein, als die Unterscheidung zwischen „feindlicher Bevölkerung“ und deutschen Antifaschisten oft nur auf dem Papier (der Beneš-Dekrete) stand – abhängig davon, wer sich zwischen dem Zusammenbruch der faschistischen und der Entstehung neuer demokratischer Strukturen vor Ort die auf der Straße liegende Staatsmacht angeeignet hatte.

Nach einem Empfang auf der Prager Burg im Mai wurde nun in Ustí die konkrete Dokumentationsarbeit aufgenommen. Von den zehn anwesenden Zeitzeugen hatten mehrere die NS-Zeit als Kinder antifaschistischer Eltern erlebt, andere waren Nachkommen, die erst nach dem Krieg geboren wurden. Über eigene Antifa-Tätigkeit in der CSR berichteten Lorenz Knorr, der für seine deutschen Leser bereits eine Broschüre darüber veröffentlicht hat, und Gerhard Blaschke, der Älteste der anwesenden Zeitzeugen. Schon als Jugendlicher nahm er an Aktivitäten gegen die faschistische Sudetendeutsche Partei teil. Während des Krieges kam er zur deutschen Luftwaffe, leitete das Geschäftsbüro eines hohen Nazi-Funktionärs, der die Aufgabe hatte, eine Flugwerft zur Reparatur von Kampfflugzeugen zu errichten.

Blaschke verzögerte die Arbeiten, die Werft kam vor Kriegsende „nicht mehr zum Zuge“. Seinem Kriegsgerichtsurteil entkam er mit großem Glück. 1945 wurde er von tschechischen Milizionären verhaftet, die in ihm nur den Wehrmachtsangehörigen erkennen konnten. Wieder hatte er Glück und konnte sich zu einer Einheit der Roten Armee retten.

Außer den Berichten der Zeitzeugen gab es 16 Referate, hauptsächlich von Historikern. Darin wurde ein Überblick über den Stand der Forschung zum Thema gegeben. Zwei Referate fielen allerdings stark aus dem wissenschaftlichen Rahmen:

Mike Schmeitzner vom Hannah-Arendt-Institut in Dresden wollte allen Ernstes Karl Kautsky als Vertreter der Totalitarismustheorie in Anspruch nehmen. Jedoch konnte er nicht verschweigen, dass Kautsky bereits 1938 starb, den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, dem seine Frau Luise zum Opfer fiel, also nicht mehr erlebte. Als zweiter sah Michael Schwartz vom Institut für Zeitgeschichte (Berlin) sein Hauptanliegen darin, die Umsiedlerpolitik der DDR zu verdammen. Beiden wurde aus den Reihen der Zeitzeugen energisch widersprochen.