Das schönste Museum der Welt

geschrieben von Gerd Deumlich

5. September 2013

In Essen läuft die Ausstellung »Museum Folkwang bis
1933«

Mai-Juni 2010

Wanderer, kommst du in die Ruhrmetropole Essen, empfängt dich neben der stolzen Hausmarke »Kulturhauptstadt Europas« eine ansehliche Werbung für »Das schönste Museum der Welt«. Gemeint ist damit nicht der gelungene Museums-Neubau, mit dem sich durch einen 50 Millionen-Zuschuss eine Stiftung, die sich der Krupp-Konzern zugelegt hat, einen guten Namen machte. Vielmehr verweist der Zusatz »Museum Folkwang bis 1933« auf ein anderes Politikum: auf eine Sonderausstellung der berühmten Sammlung Folkwang, die ihr 1932 das Kompliment des schönsten Museums der Welt eingebracht hatte. Diese hatte hervorragende Werke des Impressionismus, des Expressionismus und abstrakter Kunst vereint, Arbeiten von Manet, Cézanne, Renoir, Gauguin, van Gogh und Matisse, von Kandinsky, Kirchner, Marc, Munch, Beckmann, Nolde, Kokoschka, um nur einige Namen zu nennen.

»Bis 1933« – es dauerte nicht lange, bis die Nazidiktatur, die sich auch in Berufs- und Ausstellungsverboten gegen humanistische Künstler austobte, viele in die Emigration trieb, an die berühmte Sammlung Folkwang Hand anlegte. Im Sommer 1937 wurden mehr als 1400 Werke des Museums beschlagnahmt, angetrieben von dem NS-Oberbürgermeister und Zeitungsverleger Theodor Reissmann-Grone und dem seit 1934 eingesetzten Folkwang-Direktor Klaus Graf von Baudissin, 1937/38 leitender Mitarbeiter im Nazi-Ministerium für Erziehung und Volksbildung. Die sorgten dafür, dass viele Arbeiten zerstört wurden; viele sind verschollen, nicht wenige wurde von den Nazis auf dem internationalen Kunstmarkt verhökert und sind heute in alle Welt verstreut. Sie waren von den braunen Kunst-Barden als »jüdisch-marxistisch«, als »kulturbolschewistisch« ausgesondert worden. Als »deutsche Verfallskunst seit 1910« war sie in dem Erlass von Goebbels, der die »Säuberungs«-Aktionen, ähnlich wie die Bücherverbrennungen, in Gang brachte, abgestempelt worden. Ihren Höhepunkt fanden sie mit der in München inszenierten Ausstellung »Entartete Kunst«, für die 650 Werke von 112 Künstlerinnen und Künstlern aus 32 Museen zusammengefasst wurden und zur Abschreckung vor »undeutscher Kunst« in zwölf weiteren deutschen Städten präsentiert wurden. Die Arbeiten wurden später im Ausland zu Geld gemacht oder in Berlin verbrannt.

Es ist zu hoffen, dass man in der Kulturhauptstadt Essen weiß, wie hoch es dem Folkwang-Museum anzurechnen ist, dass sich Zeitgenossen heute an »entarteter« Kunst« ein Bild von der Nazi-Barbarei machen können. Im Publikum findet das offenbar ein großes Interesse; an einem normalen Werktag, als ich dort war, war das Museum fast überlaufen. Bedeutende Werke, die 1937 dem Museum geraubt wurden, konnten nach Essen geholt werden und sind für vier Monate (bis zum 25. Juli) mit der im Folkwang verbliebenen Sammlung vereint. Dass dies mit dem Kunstgenuss historische Erkenntnis gewinnen läßt, macht klar, dass es durchaus angebracht ist, an das Prädikat »Schönstes Museum der Welt« zu erinnern.

Dazu gehören die »roten Pferde« von Franz Marc; das Bild galt vor 1933 als so etwas wie das »Firmenschild« der Sammlung Folkwang und hat in der Sonder-Ausstellung wieder einen würdigen Platz. Wanderer, kommst du nach Essen, du solltest nicht versäumen, deine Schritte zum Museum Folkwang zu richten. Ab Hauptbahnhof gibt es eine kostenfreie Fahrt mit dem Folkwang-Bus.