Der verfemte Kunstlehrer

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Erinnerung an den Grafiker, Maler und Antifaschisten Karl Hubbuch

Nov.-Dez. 2009

»Gleich der erste Saal ist mit einer Reihe schlimmster Nuditäten behängt, eine Fleischbeschau, die nur vertierten Menschen gilt, Straßendirnen mit und ohne Kostüm zieren wie in einem Panoptikum die Wände. Aquarelle, kolorierte Zeichnungen und Rohrfederskizzen degradieren den Kunstverein zur übelsten Schaubude, es ist an der Zeit, dass die Vertreter des Ministeriums, die in der Verwaltung des gemeinnützigen Vereins sitzen sich die Schandwerke dieses Erotisten Hubbuch ansehen, der bekanntlich schon einmal öffentliches Ärgernis erregte. Welch vergiftende Wirkung, bei allem technischen Können, von der bolschewistischen Gesinnung dieses staatlichen Professors ausgehen, lässt sich nicht ausdenken.«

Das stand im Naziblatt »Der Führer«, das schon vor 1933 im badischen Karlsruhe erschien. Denunziatorisch nahm es sich des Schaffens des dort seit 1925 an der Kunstakademie lehrenden Malers und Grafikers Professor Karl Hubbuch an. Gegen die um sich greifende Dummheit, gegen Reaktion, Militarismus, Antisemitismus, wie sie nicht nur in der »Führer«-Zeitung Ausdruck fanden, auch publizistisch anzugehen – diesen Versuch machten Hubbuch und einige Karlsruher Künstlerkollegen mit einer Zeitschrift, die sich »Zakpo« nannte. Der kleine Herausgeberkreis vertraute der Überzeugungskraft der Bilder mehr als langen Texten. »Elitär« waren die oft satirischen, vor allem aber liebevoll-kritischen bildnerischen Kommentare zum Alltag in Karlsruhe und weit darüber hinaus – bis zu Gandhi in Indien – gewiss nicht. Aber sie gingen wohl doch am breiteren Geschmack vorbei. Die großformatig und gediegen gestaltete Publikation brachte es 1930 auf ganze zwei Ausgaben (Titelhinweis auf der ersten: »Der Zakpo erscheint monatlich. Preis Einzelnummer 2 RM, halbjährlich 10 RM«, auf der zweiten Nummer stand nur noch: »Preis 1 RM«).

Vielleicht wäre Berlin damals noch ein Pflaster für solch eine Zeitschrift gewesen. Berlin und Paris waren die beiden Städte, die Leben und Werk des 1891 in Karlsruhe geborenen Karl Hubbuch schon vor 1933 besonders beeinflusst hatten. Berlin durch die Studienzeit bei Emil Orlik, die ihn auch mit George Grosz in Kontakt brachte, Paris – oder überhaupt Frankreich – als Reise- und Fluchtpunkt.

In den 20er- und frühen 30er-Jahren malt und zeichnet Hubbuch viele Bilder mit aktuellen gesellschaftskritischen Bezügen – weniger polemisch meist als etwa George Grosz, anfangs sind es oft »Wimmelbilder« mit surrealistischen Einsprengseln und satirischen Überhöhungen. Immer öfter aber entstehen auch beeindruckende Milieustudien und Porträts. Darunter jene von den Nazis als »Schandwerke dieses Erotisten« gebrandmarkten Frauendarstellungen.

Nach der braunen Machtübernahme 1933 gibt es für den Akademieprofessor Karl Hubbuch sofort das Berufsverbot, in einer der ersten regionalen »Entarteten«-Ausstellungen werden seine Werke an den Pranger gestellt. Hubbuch steht vor dem Nichts. Immerhin hatte er als kritischer Künstler bereits einen Namen und war daheim als Kunstlehrer bei seinen Studenten geschätzt. Nun muss er ums nackte Überleben kämpfen. Er beginnt 1935 als Akkordarbeiter in einer Majolika-Manufaktur zu arbeiten, dann als Gehäusemaler in einer Uhrenfabrik und schließlich wieder in der Manufaktur als »Entwerfer«. Immer von Verfolgung bedroht, entstehen während der Nazijahre nur wenige künstlerische Arbeiten.

Das ändert sich 1945 nach Befreiung und Kriegsende. In Rastatt schließt sich der Künstler der dort gegründeten »Antifa« an – einer Gruppe von NS-Verfolgten und Nazigegnern – und greift bildnerisch sofort wieder in die Auseinandersetzungen um Entnazifizierung und Neuaufbau ein. 1947 bekommt er seinen Lehrauftrag in Karlsruhe zurück, in seinem Umfeld entsteht allmählich eine kleine »Schule« figürlich arbeitender Künstler, die sich in ihren Werken mit gesellschaftlichen Themen befassen. So hält es Hubbuch weiterhin auch selbst – und stellt sich damit quer zu den ungegenständlichen Kunstmoden und der Realismus-Verachtung, die über Jahrzehnte den bundesdeutschen Kunstbetrieb bestimmen.

Zur ersten großen Ausstellung seines Gesamtwerkes kommt es in Karlsruhe erst im Jahr 1981. Zwei Jahre davor, vor nunmehr fast 30 Jahren, ist Karl Hubbuch am 26. Dezember 1979 verstorben.