Die Marschrichtung

geschrieben von Gerd Deumlich

5. September 2013

Wenn Guido Knopp und Joachim Gauck Hand an die Geschichte legen

Juli-Aug. 2012

Geschichte wird gemacht. Bald auch bei Ihnen vor der Haustür: der Bus des Vereins »Gedächtnis der Nation«

Im »Gedächtnis der Nation« ein wahrhaftiges Verständnis der eigenen Geschichte zu bewahren, kann eine Garantie für eine gedeihliche Gegenwart und Zukunft sein. Was aber, wenn – wie in unserem Land – ein von der Macht gestützter und benutzter Geschichtsrevisionismus darauf aus ist, das Gedächtnis der Nation zu verbiegen?

Unlängst hat sich ein Projekt »Unsere Geschichte. Das Gedächtnis der Nation« aufgemacht, »Erinnerungen von Zeitzeugern an die wechselvolle deutsche Geschichte …für nachfolgende Generationen dauerhaft zu bewahren«. Videointerviews sind laut Pressemitteilung »redaktionell aufbereitet« im Internet kostenlos für jedermann abrufbar. Geleitet wird das Projekt von Prof. Guido Knopp (ZDF) zusammen mit Hans-Ulrich Jörges vom Stern. Finanziert wird es zunächst für vier Jahre von der Bertelsmann AG, der Robert Bosch Stiftung, der Daimler AG, Google sowie Gruner+Jahr.

Darf man von diesem Unternehmen Impulse gegen die grassierende Verfälschung der Geschichte nach den Maßgaben der Totalitarismus-Doktrin erwarten? Da müsste sich ja Guido Knopp total umkrempeln und Bertelsmann sein Geld verplempern!

Der frisch gebackene Verein gehört nicht zu den demokratischen und antifaschistischen Kräften, die gegen den Beschluss einer Mehrheit des Europaparlaments protestieren, einen die Verbrechen des deutschen Faschimus relativierenden Gedenktag für alle »Opfer totalitärer Regime« einzuführen und diesen auf den 23. August, den Tag des »Hitler-Stalin-Paktes« zu legen. Der Verein tat ein anderes. Er stellte seine geschichtsrevisionistische Haltung klar, indem er den Bundespräsidenten Joachim Gauck zu seinem Schirmherr erkor.

Nach dessen Antrittsbesuch bei der Führungsakademie der Bundeswehr wissen wir, dass er nur eine Ausdeutung des Gedächtnisses der Nation für zulässig hält: Sein vielstrapazierter Stehsatz »Verantwortung« läuft auf die Rolle Deutschlands als Kriegsmacht hinaus. Er kann das Glück kaum fassen, wie weit es Deutschland auf dem Kriegspfad schon wieder gebracht hat: »Die Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika …wer hätte es etwa vor 20 Jahren für möglich gehalten?« Eben. Doch des Marschierens ist kein Ende: Die »lieben Soldatinnen und Soldaten werden heute ausgebildet mit der klaren Perspektive, in solche Einsätze geschickt zu werden«. Geht völlig in Ordnung, denn Gauck weiß, was eine »funktionierende Demokratie« fordern darf – »manchmal auch das Äußerste was ein Mensch geben kann: das eigene Leben«. Und er mokiert sich: »Dass es in unserer Mitte wieder Kriegsversehrte gibt, … dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.« Ihr diese jämmerliche Schwachheit auszutreiben, darin besteht für den Schirmherrn der Sinn seines Vereins.

Eine »Ohne uns«-Haltung bedeutet ihm die Verweigerung, »unsere Geschichte anzunehmen«. Nichts aus der Geschichte gelernt zu haben, die Maxime »Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus« für endlich überwunden und die Freiheit zum Krieg für die Rückgewinnung deutscher Normalität zu halten – das bleibt von dem großspurigen Anspruch, das Gedächtnis der Nation zu pflegen, übrig. Da kann man sich wohl denken, was von diesem Verein an Vermittlung der Wahrheit über deutsche Geschichte, an Anerkennung des antifaschistischen Widerstandes zu erwarten ist. Niemand wird es uns also abnehmen, dem für Vergesslichkeit anfälligen Gedächtnis der »Nation« auf die Sprünge zu helfen.