Dresden im Februar

geschrieben von Henning Obens / Andreas Kahrs

5. September 2013

Täterspuren suchen statt Geschichte verwischen

Jan.-Feb. 2012

Unsere Autoren sind aktiv bei Avanti- Projekt undogmatische Linke und der AG »Täterspuren« von Dresden Nazifrei

Das faktische Verbot des Mahngangs »Täterspuren« am 13. Februar 2011 sorgte für Empörung. Geradezu absurd war die geschichts- und rechtspolitische Schieflage dieser Entscheidung. Etwa 2000 Nazis durften am Abend einen Fackelmarsch für die »deutschen Opfer« und gegen »alliierten Bombenterror« durchführen. Tagsüber fand eine »Menschenkette« statt, bei der gegen »Rechtsextremismus« protestiert und an die Bombardierung der Stadt erinnert wurde. »Täterspuren« sollte einen Kontrapunkt zu der vorherrschenden Geschichtserzählung in Dresden setzen und wurde vom Dresdner Ordnungsamt und sächsischen Gerichten verboten. Begründung war ein vermeintliches Trennungsgebot: auf der Altstadtseite sollten Nazis und Menschenkette (sic!) und auf der Neustadtseite die linken Veranstaltungen stattfinden. Grundgedanke von Täterspuren war es jedoch, an den historischen Orten an die Täter und an die Rolle von Dresden im NS zu erinnern. Die bis heute nicht gekennzeichnete Villa von NS-Gauleiter Mutschmann sollte den Auftakt zu einem Mahngang bilden, der bei den Hinrichtungsstätten am Münchner Platz und am Deutschen Hygiene Museum Station machen und bei der Gestapo-Zentrale am Hauptbahnhof enden sollte. Bei der Beschäftigung mit der Stadtgeschichte wird klar, welche Bedeutung Dresden im NS hatte. Als »einer der ersten Industriestandorte« des Deutschen Reiches mit über 50.000 Beschäftigten in über 100 Rüstungsbetrieben sowie als intakte Garnisonsstadt und Verkehrsknotenpunkt hinter der Front. Als Stadt mit einem extrem hohen Anteil an NSDAP-Mitgliedern, eine Stadt mit Tätern, Denunzianten, Mitwissern und Schweigenden. Diese historische Wahrheit ist in Dresden jedoch hinter einer dicken Schicht aus Verleugnung, Geschichtsverdrehung und Mythenbildung verkleistert worden. Ein Ausdruck der Nivellierung von Tätern und Opfern in Dresden ist das Rondell des Heidefriedhofs. Trotz der Absicht, hier eine antifaschistische Gedenkstätte einzurichten, fügt sich ein Teil dieses Ortes in die Dresdner Selbstinszenierung als »Opfer des Krieges« ein. In dem Rondell stehen 14 Sandsteinsäulen, darauf sieben Namen von Vernichtungslagern und Orte von NS-Verbrechen wie Leningrad, Rotterdam oder Oradour. Zusätzlich erinnert ein »weinendes Mädchen« vis-à-vis seit 2010 an die »Zerstörung von Dresden«. Das Arrangement legt nahe, dass es sich »gegen die Schrecken des Krieges« richtet. Generell ist die Kritik an »dem Krieg« selbstverständlich richtig, aus der spezifischen Anordnung und dem Dresdner Kontext wird diese Chiffre jedoch historisch brisant und erleichtert Geschichtsrevisionisten ihre Uminterpretation der deutschen Geschichte. Die Konturen von Angreifern und Angegriffenen und damit der historischen Wahrheit verschwimmen hinter dem individuellen Leid der Bombenopfer in Rotterdam, Leningrad, oder eben Dresden. Dabei steht die Erinnerung an »Dresden« sogar im Kern dieses Erinnerungsortes und die jährliche Trauerfeier der Stadt nahm nur an diesem Tag Notiz von dem Erinnerungsort. Die dort begrabenen Bombentoten werden pauschal als Opfer stilisiert, egal, ob sie vorher SS-Männer oder Bäcker waren. Wie absurd -dies ist, wird bei dem von der CDU lancierten Vorschlag deutlich, auf dem Altmarkt ein Denkmal mit allen Namen der Bombentoten zu setzen. Die CDU selbst ist jedoch davor zurückgeschreckt, als sie darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie damit tausenden Nazis ein Denkmal setzen würde. Auf den geschichtsklitternden Kern konnten sich auch die Neonazis berufen, die in den letzten Jahren immer wieder massiv am Heidefriedhof präsent waren. Ihnen geht es um die Einebnung deutscher Verbrechen und die Gleichsetzung mit vermeintlichen Kriegsverbrechen der Alliierten. Die Diskussion im Bündnis Dresden Nazifrei und die Kritik von anderen Akteuren an dem jährlichen Ritual auf dem Heidefriedhof hat im letzten Jahr dazu geführt, dass Vertreter und Vertreterinnen der Parteien Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen nicht mehr an der Ehrung teilnehmen wollten. Für 2012 kündigte die städtische Arbeitsgruppe »AG 13. Februar« an, keinen Protokollakt am Heidefriedhof mehr durchzuführen, da dies zu umstritten sei. Jahrelang konnte der Naziaufmarsch in Dresden ungestört wachsen, auch wegen des geschichtsrevisionistischen (Sandstein) Nährbodens, den der »Mythos Dresden« für die Nazis bereitstellt. In den letzten beiden Jahren konnte der Aufmarsch erfolgreich blockiert werden. Jetzt wird es darum gehen den Nazis auch die geschichtspolitischen Anknüpfungspunkte weiter streitig zu machen. Dies bedeutet gerade am 13. Februar die verdrängte Tätergeschichte von Dresden sichtbar zu machen und den geschichtsrelativierenden Nebel der Geschichte zu lüften.