Ein Streiter gegen den Krieg

geschrieben von Jakob Knab

5. September 2013

Jürgen Rose plädiert gegen die aktuelle Militärpolitik

Mai-Juni 2010

Jürgen Rose »Ernstfall Angriffskrieg – Frieden schaffen mit aller Gewalt?« Ossietzky 2009. Taschenbuch, 268 S., 13,90 Euro

Ich beginne mit dem Nachwort; denn hier findet der Münchner Militärhistoriker Detlef Bald wohltuend klare Worte: »In Sachen Einsatzdoktrin hat die Bundeswehr niemals gezögert, ihre Macht zu demonstrieren. Militär und Politik nahmen den Standpunkt ein, abweichende Meinungen innerhalb der Institution nicht zu dulden. Strikte Geschlossenheit war die Parole, muffige Bedrückung das Ergebnis.« Just gegen diese angstbesetzte Enge schreibt Jürgen Rose, bis vor kurzem ein Stabsoffizier in der Bundeswehr, an. Was diesen einsamen und unbeugsamen Rufer in der Wüste antreibt, ist sein unerbittliches Bekenntnis zu »Recht und Gerechtigkeit, zu Friede und Freiheit.«

Jürgen Rose zitiert den verstorbenen britischen Schriftsteller und Nobelpreisträger Harold Pinter: »Die Invasion des Irak war ein Banditenakt. Wie viele Menschen muss man töten, bis man die Bezeichnung verdient hat, ein Massenmörder zu sein? « Und auch Jürgen Rose attackiert unerschrocken und unermüdlich jene Drahtzieher sowie den »Opportunismus, Feigheit und Skrupellosigkeit« der willfährigen Helfer.

Bewegende und aufrüttelnde Worte findet Rose für den Angriffskriegverweigerer Major Florian Pfaff. Dieser hatte im März 2003 seinem Vorgesetzten erklärt, dass er sich vor seinem Gewissen schuldig machen würde, wenn er als Softwarespezialist »am Morden im Irak« teilnehmen würde. Am 7. Mai 2008 wurde Florian Pfaff durch das Bundesverwaltungsgericht rehabilitiert: »Im Konflikt zwischen Gewissen und Rechtspflicht ist die Freiheit des Gewissens ›unverletzlich‹.«

Im Beitrag »Falsche Helden« geht Rose einerseits bekannt kritisch mit der Traditionspflege der Bundeswehr ins Gericht. Hatte Minister Volker Rühe (CDU) verfügt: »Die Wehrmacht war als Organisation des Dritten Reiches in ihrer Spitze, mit Truppenteilen und mit Soldaten in Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt. Als Institution kann sie deshalb keine Tradition begründen«, so entwickelte sich die Traditionsarbeit in anderen Bahnen.

Erst am geschichtsträchtigen 9. November 1995 entschied Rühe, die Generaloberst-Dietl-Kaserne in Füssen neu zu benennen. Erst nach vierzig Jahren dämmerte der Bundeswehr die Einsicht, dass Tradition der Bundeswehr verantwortungsbewusste Auswahl aus der Geschichte sein muss, die sich am Werterahmen des Grundgesetzes orientiert. So hatte Ende März 1988 der Standortälteste von Füssen die Befürworter einer Umbenennung als »unzufriedene, ja beinahe unmündige Staatsbürger« beschimpft.

Auch die Kommentierung Roses zur Tilgung des Traditionsnamens Mölders löste heftigen Unmut bei den alten Kameraden aus: »Denn angesichts des neuen Bundeswehrauftrages der ›Verteidigung am Hindukusch‹ musste es alarmierend wirken, wenn Auftragskiller von Diktatoren zu traditionswürdigen Vorbilden für eine Armee deklariert wurden, die den Auftrag hat, Freiheit, Recht, Demokratie und Menschenwürde zu beschützen.«

Ich schließe mit Auszügen aus dem Geleitwort des Kasseler Friedensforschers und Politikwissenschaftlers Werner Ruf: »Jürgen Rose ist deutscher Soldat – ein Beruf, der mir fremd ist und zu dem ich eine große innere Distanz habe. Er streitet in diesem Buch gegen den Angriffskrieg. Militärische Interventionen, so seine Auslegung des Grundgesetzes, stehen im Widerspruch zum Verfassungsauftrag, der nationales Recht strikt an Völkerrecht bindet.«

Werner Ruf kommt zu diesem Schluss: »Der weltweite Einsatz der Bundeswehr im Sinne von Interventionen, wie sie in der Europäischen Sicherheitsstrategie gefordert und von der NATO unternommen werden, bleibt moralisch, politisch und rechtlich fragwürdig. Diesen Streit zu führen, obliegt der demokratischen Öffentlichkeit, zu der alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gehören – auch die in Uniform.«