Ganz schwarze Blöcke

geschrieben von Uwe Hiksch

5. September 2013

»Autonome Nationalisten« contra »bürgerliche
Spießer« in der NPD

Mai-Juni 2008

Der sächsische NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel führte in der Parteizeitung Deutsche Stimme aus:

»Im Land gibt es eine bisher richtungslose antikapitalistische Sehnsucht, die in nationale Protestbahnen gelenkt werden muss das heißt konsequent gegen Zuwanderung, EU-Fremdbestimmung und Globalisierung zu richten ist. Das gelingt nur, wenn die nationale Solidar- und Gerechtigkeitsbewegung vernünftig im Ton und zivil im Auftreten ist und jedes sektiererhafte oder pubertäre Bürgerschreck-Gehabe unterläßt. ›Autonome Nationalisten‹ mit ihrem antifaschistischen Krawall-Habitus schwächen dabei nur die Position des nationalen Antikapitalismus, weil dessen normaldeutsche Adressaten massiv verschreckt werden.«

Mit den sogenannten »autonomen Nationalisten« hat sich im Rahmen der Neuen Rechten eine Strömung entwickelt, die in Aussehen und Aktionsformen versucht, die radikale Linke zu kopieren. Man trägt die Kleidung der Linken und ist bemüht, deren Symbole, Musik und Aktionen für die eigene Politik zu missbrauchen. Mit Che-Guevara-Shirt, Palästinensertuch und Musik von Rio Reiser oder den Ärzten gehen diese Gruppen daran, eine Form des rechten Antikapitalismus zu propagieren, der ihnen neue Zielgruppen erschließen soll. Ihr vermeintlich revolutionäres Pathos und ihr antibürgerlicher, provokativer Habitus zielen dabei vor allem auf unzufriedene Jugendliche. Mit der selbst gewählten Bezeichnung »Autonome Nationalisten« geben sie vor, Antikapitalisten und »nationale« Sozialisten zu sein. Mit Parolen wie »We will rock you« oder »Fuck the law!« versuchen sie, die Gefühle radikaler, junger Aktiver anzusprechen, um diese für die Rechte zu gewinnen.

Die Strategie des »schwarzen Blocks« innerhalb des rechten Spektrums ist allerdings umstritten. So erklärte die NPD für den Nazi-Aufmarsch am 4. April in Weimar ausdrücklich, dass die Bildung einen »schwarzen Blocks« nicht erwünscht sei. Sie kündigte sogar an, gegen autonome Nationalisten vorzugehen und sie gegebenenfalls aus der Demonstration zu schmeißen. Für den Aufmarsch wurden klare Regeln ausgegeben. So hieß es unter anderem: »Weiterhin sind das Auftreten in geschlossenen Blöcken und das Skandieren von Parolen in Kombination mit dem demonstrativen Heben der eigenen Faust strikt untersagt. Die Veranstalter wünschen keine Kopie von typischen Verhaltensformen der militanten Antifa. Es dürfen nur Parolen und Sprechchöre verwandt werden, die von Seiten des Lautsprecherwagens oder der Ordner vorgegeben werden, bzw. im Vorfeld (!) mit der Veranstaltungsleitung abgesprochen worden. Das willkürliche Rufen insbesondere von themenfremden Sprechchören ist untersagt. Die Demonstrationsleitung schließt sich ausnahmslos der Erklärung des NPD-Parteivorstandes hinsichtlich des Bildens und Auftretens sogenannter Schwarzer Blöcke an.«

Hintergrund dieses Streits ist die Frage, wie sich die militanten Rechten die Eroberung der kulturellen und politischen Hegemonie vorstellen. Am 10. September 2007 hatte das Parteipräsidium der NPD unter dem Titel »Unsere Fahnen sind schwarz unsere Blöcke nicht« eine Erklärung verabschiedet, die sich deutlich von den »nationalen schwarzen Blöcken« distanzierte. Darin legte das Präsidium der Partei fest, dass solche Blöcke innerhalb von Demonstrationen, die von der NPD organisiert werden, unerwünscht seien. Bereits 2002 waren die »Autonomen Nationalisten Berlin« vereinzelt in Erscheinung getreten, damals noch als loser Zusammenhang im Umfeld der Freien Kameradschaften. Am 1. Mai 2003 kam es dann in Berlin erstmals zu einem organisierten Auftritt eines sogenannten »nationalen schwarzen Blocks«. Dieser Teil der Nazis hat in seinem Demonstrationsaufruf 2004 seine Sicht der Dinge klar definiert: »Der nationalrevolutionäre schwarze Block unterscheidet sich nicht hauptsächlich durch sein Äußeres von den anderen Demonstrationsteilnehmern, sondern durch die revolutionären Inhalte und seine Aktionen.« Mit dieser Aussage machen die autonomen Nationalisten deutlich, wo sie sich selbst politisch einordnen: Sie sind in der Ideologie des Nationalsozialismus verankert und knüpfen zumindest in ihrer Rhetorik an die nationalrevolutionäre Tradition von Otto und Gregor Strasser an.

Zum einen gibt es also vor allem im Umfeld der NPD weiter eine Tendenz hin zu einer breiten Zusammenarbeit und zum Aufgreifen konkreter sozialer Probleme vor Ort unter Ausnutzung parlamentarischer Möglichkeiten. Dem steht auf der anderen Seite ein immer größer werdender Teil »freier Nationalisten » gegenüber, der sich dieser »verbürgerlichten Politik« verweigert und vor allen darum kämpft, offensiv und gewaltbereit die Straße zu erobern. Die Niederlagen von NPD und DVU bei den Wahlen in Niedersachsen, Hessen und Hamburg könnten die Gewichte innerhalb der Neonaziszene wieder stärker in diese Richtung verschoben haben.