Grass und Schönhuber

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Eine Vorwärtsverteidigung und ein spätes Bekenntnis

Sept.-Okt. 2006

Warum hat Günter Grass erst jetzt und hat nicht schon früher und warum hat er überhaupt oder hätte er nicht…? Ein Rückblick: Franz Schönhubers „Ich war dabei“ war Anfang der 1980er Jahre der missglückte Versuch einer Vorwärtsverteidigung. Man hatte ihm, der gerade Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks werden sollte, gesteckt, dass Neider in der Branche etwas über seine geheim gehaltene SS-Vergangenheit wüssten. Fast hätte der Versuch damals geklappt, hätten sich nicht kritische Leute Schönhubers in Leinen gebundenes SS-nostalgisches Landser-Heft genauer angesehen und dessen skandalöse Inhalte öffentlich gemacht. Nach längerem Zögern trennte sich daraufhin der BR von seinem leitenden Redakteur, worauf dieser beleidigt beschloss, dann halt gleich ganz offen ein Nazi zu sein.

Nicht das späte Eingeständnis seiner Waffen-SS-Mitgliedschaft warf den späteren „Republikaner“-Gründer also aus dem Rennen, sondern seine schriftlich niedergelegte Verharmlosung und Verherrlichung der Mörderbande. „Dabei“ gewesen zu sein, war in der BRD bis weit in die 1970er Jahre hinein alles andere als ehrenrührig. Politiker der großen „Volksparteien“ gaben sich die Klinke in die Hand, um bei den Treffen des Waffen-SS-Traditionsvereins HIAG ihre Aufwartung zu machen. Es handle sich da ja, wurde antifaschistischen Kritikern entgegnet, nicht um die „Totenkopf-SS“, die in den KZs gewütet hatte, sondern um einen „ganz normalen“ Wehrmachtsteil.

Daran muss erinnert werden, weil im aktuellen Grass-Getümmel oft so getan wird, als hätte es für den „Blechtrommel“-Autor fürchterliche Konsequenzen gehabt, hätte er schon früher über sein jugendliches SS-Engagement berichtet. Warum er allerdings gemeint hat, es „verdrängen“ zu müssen, wird auch aus den einschlägigen Passagen in seinem nun rasch zum Bestseller avancierten Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ nicht recht ersichtlich. Gibt und gab es doch – egal, was man im Einzelnen davon halten mag – weder im Werk noch im öffentlichen Auftreten von Grass irgendeinen Anklang an Schönhubersche Schönfärbereien der NS-Zeit und ihrer Verbrechen.

Einer, der „dabei“ war als ganz Junger – und der gerade deshalb seine künstlerischen, humanistischen und antifaschistischen Konsequenzen gezogen hat: So hätte er noch viel konkreter mithelfen können in den Auseinandersetzungen nicht nur mit alten und neuen Nazis und sich und uns genützt. Er wollte oder konnte es nicht.

Das späte Bekenntnis hilft jetzt eher jenen, die schon immer gesagt haben, dass halt alles „Schicksal“ war. Und die Waffen-SS eine „Elite-Truppe“.