Im Krieg und Widerstand

geschrieben von Günter Wehner

5. September 2013

Jüdische Kämpfer im Ersten und Zweiten Weltkrieg

Sept.-Okt. 2012

Michael Berger: Gideon Römer-Hillebrecht (Hrsg.)

Jüdische Soldaten – Jüdischer Widerstand in Deutschland und Frankreich

2012 Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn. 572 S.

Erstmalig liegt hier ein Sachbuch zur Thematik »Jüdische Soldaten – Jüdischer Widerstand« vor, das bisher in der deutschen Historiografie fehlte.

Im Vorwort der umfangreichen Publikation, in der siebzehn Autorinnen und Autoren zu Wort kommen, weist der Schirmherr des Projektes, Burkhard Schwenker, auf die Eimaligkeit des Buches hin. Im Wort zum Geleit geht Christian Schmidt in seiner Eigenschaft als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung auf die »grausame Täuschung« der jüdischen Soldaten und Offiziere ein, die aus nationaler Begeisterung im Ersten Weltkrieg für ihr vermeintliches Vaterland ihr Leben einsetzten. Ab 1933 wurden sie durch das NS-Regime als »wehrunwürdig« diskriminiert und erbarmungslos verfolgt. Schmidt widerspricht in seinem Vorwort der gängigen Ansicht, dass sich die Juden nicht gewehrt hätten und verweist auf vielfältige Aktionen gegen die braune Barbarei, die bis heute ignoriert und unterschätzt werden.

Der vorliegenden Sammelband vereinigt Forschungsbeiträge über den Umgang und die Wertschätzung, bzw. über das Verschweigen der Leistungen jüdischer Soldatinnen und Soldaten in beiden Weltkriegen. Die Aufsätze behandeln die unterschiedlichsten Beiträge jüdischer Bürger, sich als deutsche Staatsbürger einzubringen.

Michael Berger schildert das am Beispiel des jüdischen Rechtsanwaltes und Abgeordneten Dr. Ludwig Frank aus Mannheim, der sich als 40jähriger Freiwilliger zum Kriegsdienst meldete und fiel. Er belegt in seinem Beitrag, dass die Kriegsbegeisterung auch alle Bereiche des jüdischen Lebens in Deutschland erfasste.

Gideon Römer-Hillebrecht beleuchtet überzeugend die ungleiche Emanzipation der Juden in Deutschland und Frankreich und geht dabei auf das Verhalten der jüdischen Militärangehörigen der beiden Staaten ein. Am gemeinsamen Widerstand der Juden in den beiden Ländern gegen das NS-Regime untersucht und analysiert der Autor ihre Perspektive als Staatsbürger in Deutschland und Frankreich. Er belegt, dass allen jüdischen Organisationen und den deutschen Juden seit 1935 bewusst war, dass ihre Emanzipation in Deutschland gescheitert war. Die jüdischen Bürger in Frankreich, so der Autor, kämpften angesichts der antisemitischen Gefahr besonders patriotisch gegen die deutsche Wehrmacht. M. Berger beschreibt eindrucksvoll den Schock der Juden in Frankreich, als sie nach der Kapitulation am 22. Juni 1940 durch die französische Regierung in Vichy ohne Vorgaben und Druck der deutschen Okkupanten aus dem gesamten öffentlichen Leben verdrängt wurden.

Ferner schildert er an konkreten Beispielen, wie der Herbert-Baum-Gruppe, dass sich jüdische Antifaschisten trotz aussichtsloser Position aktiv am Widerstand gegen das NS-Regime beteiligten. Unter Baums Leitung nutzten die Mitstreiter jede Möglichkeit, als Zwangsarbeiter in der Berliner Rüstungsindustrie die Produktion zu sabotieren. Höhepunkt ihres Widerstehens war der Brandanschlag auf die NS-Hetzausstellung im Berliner Lustgarten. In einem aufschlussreichen Biogramm schildert Berger, wie sich Dr. Julius Deutsch vom österreichischen Frontoffizier im Ersten Weltkrieg zum General der Interbrigadisten in Spanien entwickelte.

Unter der Überschrift »Deutsche Juden in der französischen Résistance« geht Peter Fisch der Frage nach, wie deutsche Juden zum französischen Widerstand stießen. Er analysiert die vielfältigen Formen, die er trotz der widrigen Lebensverhältnisse der Beteiligten annahm. Der Autor belegt mit sorgfältig recherchierten Fakten, wie es den Antifaschisten gelang, einen bedeutsamen Beitrag gegen das deutsche Besatzungsregime zu leisten. Als Ausgangspunkt bzw. Voraussetzung der Beteiligung deutscher Juden am französischen Widerstand sieht Fisch die Tatsache, dass sie als Emigranten in Frankreich eine neue Heimat gefunden hatten, die sie nicht kampflos verlieren wollten. Sie wollten nicht in den Vernichtungslagern enden. Er belegt und betont, dass von den ca. 1000 deutschen Résistanceangehörigen fast ein Drittel bereits als Interbrigadisten in Spanien gekämpft hatte. An den »Fallbeispielen von Norbert Kugler, Leo Kneler, Gerhard Leo und Peter Gingold untersucht Fisch unterschiedliche Beweggründe, die zum Widerstehen geführt haben. Leo Kneler, der bereits 1932 als verfolgter Kommunist emigrieren musste und in Spanien gekämpft hatte, war führend an mehreren Attentaten auf leitende Vertreter der NS-Okkupanten in Frankreich beteiligt.

Die vorgestellten Themen und Sachverhalte regen zur weiteren Erforschung des Anteils jüdischer Militärs und Widerständler im Ringen gegen Faschismus und Krieg an.

Die Publikation ist in Bezug auf die Fußnoten leserfreundlich gestaltet und mit einem umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis ausgestattet.