Kein Podium für Nazis

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Antifaschisten stellen Broschüre zum Umgang mit Neonazis im Wahlkampf
vor

Sept.-Okt. 2006

Anfang August 2006 fand in Buchenwald das traditionelle Jugendworkcamp statt. Eine von Neonazis angemeldete Demonstration gegen das Camp und gegen die antifaschistische Jugendbegegnungsstätte Gerberstraße in Weimar wurde wegen des massiven Widerstandes junger und älterer Antifaschistinnen und Antifaschisten in der Stadt kurzfristig abgesagt.

Immer häufiger besuchen Neonazis aus den Reihen der neofaschistischen NPD und der so genannten Freien Kameradschaften öffentliche Veranstaltungen zu gesellschaftlich relevanten Themen, oder werden im Vorfeld von Wahlen gar zu Podiumsgesprächen eingeladen. Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), hat sich unlängst sogar offensiv für Podiumsdiskussionen an Schulen angeboten und gezielt Schüler aufgefordert, sie als Diskussionspartner einzuladen. „In der direkten Konfrontation mit dem Gegner soll dieser nicht mehr in der Lage sein über die Nationalisten, sondern nur noch mit ihnen zu diskutieren“, heißt es diesbezüglich auch in einem Grundsatzbeschluss, den die JN in diesem Jahr gefällt hat. „Drängen wir ihnen unsere Gedanken auf, ja zwingen wir sie dazu, sich mit uns, unseren Forderungen und Zielsetzungen zu beschäftigen“, hatte auch der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt bereits im Jahr 2004 gefordert.

Mit einer zwölfseitigen Broschüre mit dem Titel „Wir haben die Wahl! Empfehlungen zum Umgang mit rechtsextremen Organisationen im Wahlkampf“, wollen die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR), die Netzwerkstellen [moskito] und Licht-Blicke und das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz e. V.), diesem Treiben ein Ende bereiten. Die Broschüre soll politisch Aktiven, Lehrern und anderen Interessierten, Argumente und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, die dazu geeignet sind, Neonazis von Wahlkampf- und anderen öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen. Vielfach war es den Neofaschisten in der Vergangenheit gelungen, mit gezielten Provokationen öffentliche Veranstaltungen ad absurdum zu führen, bzw. diese massiv zu behindern. Durch zumeist moderates Auftreten versuchten sie, das Bild zu vermitteln, sich im ganz normalen, demokratischen Meinungsspektrum zu bewegen. Indes verfolgen sie mit ihren Veranstaltungsbesuchen und Teilnahmen an Podien ein strategisches Ziel: Die Teilnahme erfolgt vornehmlich mit der Absicht, die Meinungsführerschaft in der Diskussion zu übernehmen, die aktuellen gesellschaftlichen Themen durch eigene, zumeist umfangreiche Wortbeiträge rechtsextrem zu besetzen und den Verlauf der Veranstaltung zu bestimmen. Kurz: NPD, JN und Kameradschaften gehen systematisch und geschult nach der Strategie der „Wort­ergreifung immer und überall“ vor.

Die Herausgeber geben in der antifaschistischen Broschüre unterdessen Tipps, was bereits im Vorfeld und im Verlauf von Wahlkampf- und Saalveranstaltungen getan werden kann, um Neonazis kein Podium zu bieten und warnen vor allem davor, „den Einfluss von Rechtsextremen im öffentlichen Diskurs zu ignorieren“ und sich nicht mit Propaganda und Programm von NPD und JN zu befassen. Ziel sei schließlich, die menschenverachtende Propaganda der neofaschistischen Partei und anderer extrem rechter Organisationen zu benennen und zu widerlegen.

Diese politisch-inhaltliche Auseinandersetzung bedeute jedoch keinesfalls, gemeinsam mit Neonazis an Podiumsveranstaltungen teilzunehmen, da diese dadurch nur hoffähig gemacht würden, so die Autoren weiter.

Ergänzend zu den von den Autoren aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten, bietet die Empfehlung auch einen Überblick über die zentralen demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Positionen in Programm und Ideologie der neofaschistischen NPD. Vielfach sahen sich Antifaschisten in der Vergangenheit zudem dazu gezwungen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die freie Meinungsäußerung nicht auch für Rechtsextreme gelte.

Die Broschüre kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden.

Die Broschüre gibt darauf eine klare Antwort: Rechtsextremes Gedankengut steht außerhalb des demokratischen Grundkonsenses und damit auch außerhalb des Toleranzbereichs. Die Handreichung wirbt daher für eine Ächtung neofaschistischer Positionen und empfiehlt, stattdessen explizit die Vermittlung demokratischer Werte zu befördern.