Kritik an Schwarz-Gelb

geschrieben von Christian Rethlaw

5. September 2013

Wissenschaftler wenden sich gegen
»Extremismus«-Gleichsetzung

Jan.-Feb. 2010

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die bisherigen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus einschränken, indem sie erhebliche Mittel dieser Programme künftig zur Bekämpfung von »Linksextremismus« und »Islamismus« einsetzt. So steht es im Koalitionsvertrag. Das führt – neben der mit der Gleichsetzung verbundenen Verharmlosung des Rechtsextremismus – zu einer Reduzierung der Mittel für Aktivitäten gegen den Rechtsextremismus.

Was das in der Praxis bedeutet, machen die jüngst vom Bundeskriminalamt bekannt gegebenen Zahlen deutlich. Danach liegt die Zahl der Straftaten aus dem rechtsextremen Spektrum im abgelaufenen Jahr 2009 ähnlich hoch wie im Vorjahr 2008 wieder bei über 20.000. Im Vergleich dazu zählte das BKA 2008 aus dem Bereich »politisch motivierte Kriminalität links« rund 3.000 Straftaten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Reihe von Aktivitäten gegen Neonazis, wie z.B. Blockaden gegen Naziaufmärsche, von den Behörden als »Straftat« (»Verstoß gegen das Versammlungsgesetz«, »Landfriedensbruch«, »Widerstand gegen die Staatsgewalt« und dergl.) gewertet werden. Das hat zur Folge, dass Neonaziaufmärsche im Endeffekt »links motivierte Straftaten« verursachen.

Nach dem Bekanntwerden der neuen Zahlen warnten Experten erneut vor der Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Man sehe schon den Zahlen an, »dass Gewalt ein zentraler Punkt des sozialdarwinistischen Gesellschaftsbildes der Rechtsextremen ist«, betonte der Soziologe Fabian Virchow, »bei Linken ist das nicht der Fall«.

Bereits unmittelbar nach Bekanntmachung des Vorhabens der schwarz-gelben Bundesregierung, die bisherigen Mittel und Kräfte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus »auf jede Form extremistischer Gewalt« auszuweiten und damit die Mittel gegen rechts zu reduzieren, wandten sich Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet als Experten tätig sind, sehr deutlich gegen die Absichten der Bundesregierung und gegen jede »Verharmlosung und Relativierung des Rechtsextremismus«.

In ihrem Papier führen die zehn Wissenschaftler mehrere Gründe an, weshalb die Absichten und Darlegungen der Bundesregierung nicht den Tatsachen entsprechen und verhängnisvolle Auswirkungen haben werden:

Die Unterstellung, »alle drei Extremismen« seien gleichermaßen gefährlich, entspreche nicht den Realitäten. So sei »nicht erkennbar, dass sich ein gewaltförmiger Linksextremismus ausbreitet und etabliert, der demokratische und menschenrechtliche Grundsätze ablehnt«. Auch der »Islamismus« dürfe nicht überbewertet werden; antidemokratische Tendenzen seien »nur unter einer kleinen Minderheit muslimischer Jugendlicher verbreitet«.

Hingegen hätten Neonazis seit 1993 über 140 Menschen umgebracht. Die rechte Bedrohung sei unverändert hoch. In vielen Regionen seien Neonazis inzwischen kommunal verankert und rechtsextreme Orientierungen bei Jung und Alt weit (bis zu 40 Prozent) verbreitet.

Die gefährlichen Entwicklungen und Folgen des Rechtsextremismus machten eine Fortsetzung und Ausweitung aller Anstrengungen zu seiner Bekämpfung unbedingt notwendig.

Eine Reduzierung der Mittel für die Bekämpfung des Rechtsextremismus sei ein falsches Signal an die Länder und Kommunen, deren Mittel ohnehin knapper werden. Die Bundesregierung sende damit die Botschaft aus, dass »solche Programme, Projekte und Initiativen wohl nicht so wichtig seien «.

Darüber hinaus sei zu befürchten, dass künftig ausgerechnet die Gruppen, »die sich entschieden gegen rechtsextreme Landnahmen wenden und oft mit dem Etikett ›Antifa‹ belegt werden, selbst zum Objekt von Extremismusprogrammen gemacht werden«. Mit anderen Worten: Nazigegner werden als »Extremisten« bekämpft.

Schließlich sei die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eine Schwächung der Anti-Rechts-Initiativen von den Neonazis als ermutigendes Signal verstanden wird, ihre Aktivitäten unbehelligter fortsetzen zu können.

Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören u.a. die Professoren Benno Hafenegger, Christoph Butterwegge, Rudolf Leiprecht, Roland Roth und Wilfried Schubarth.