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5. September 2013

Auslandseinsätze und »zivilmilitärische
Zusammenarbeit« im Inneren. Von Ulrich Sander

Sept.-Okt. 2009

»Krieg und Wahlkampf war am 8. September ein Kommentar von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung überschrieben. Daraus dieser Absatz:

»Die Bomben-Aktion von Kundus am vergangenen Freitag war ein furchtbarer Fehler. Fehler dieser Art sind in einem Krieg dieser Art ebenso katastrophal wie unvermeidlich. Vermeidlich, ja unsäglich war und ist allerdings, dass der Kriegseinsatz dem deutschen Volk als Christophorus-Aktion präsentiert wurde. Die Bombenaktion hat nun nicht nur Zivilisten getötet, sondern auch der Politik die rosa Brille heruntergerissen: Der Krieg in Afghanistan dauert nun schon länger als der Zweite Weltkrieg, Ein Ende ist nicht absehbar und die Zweifel über die Fortschritte bei der Demokratisierung und Stabilisierung des Landes nehmen nicht ab, sondern rapide zu – so wie auch die Zweifel daran zunehmen, dass Verteidigungsminister Jung seiner Aufgabe gewachsen ist. Er muss austragen und aushalten, was sein Vorgänger Struck mit der Formel ‚Deutschland wird am Hindukusch verteidigt‘ eingebrockt hat. Der Satz ist einer der törichtesten Sätze der deutschen Nachkriegsgeschichte; ihm wurde ein Rang beigemessen, als handle es sich um den Artikel 1 Grundgesetz.«

Die Bundeswehr war nie die »größte Friedensbewegung«, wie sie sich bis 1989 gern nannte. Heute nennt sie sich »Armee im bewaffneten weltweiten Einsatz«. Zu diesem Zweck wurde sie transformiert. Im Bundeswehrmagazin »Y«, Mai 09, schreibt der Chefredakteur: Nach dieser Transformation der Bundeswehr könne man auch feststellen, »dass die Transformation der deutschen Gesellschaft gelungen ist.« Das ist übertrieben, aber das Ziel, die Wiederherstellung des deutschen Militarismus, bleibt anvisiert.

Am 17. Februar 2005 wurde – tief in der Nacht und unbeachtet von den Medien – vom Bundestag das Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes beschlossen. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60 Jahre, bis zu dem Reservisten in Friedenszeiten einberufen werden können, und zwar nicht nur zu Übungen, wie bisher, sondern zu Einsätzen im In- und Ausland.

Ohne mündliche Aussprache geschah diese Beschlussfassung. Alle Reden wurden schriftlich zu Protokoll gegeben. Deshalb sei folgender Auszug aus dem Bundestagsprotokoll nachgetragen. Petra Pau, eine der beiden PDS-Abgeordneten, die damals im Bundestag vertreten waren, führte u.a. aus: »Wir sind dagegen, weil sie (die Änderungen des bisherigen Gesetzes) ein trojanisches Pferd in Stellung bringen. Denn: Der Gesetzentwurf entspringt einer inhaltlichen Logik, der wir nicht folgen. Es geht darum, den Status und die Pflichten von Reservistinnen und Reservisten an die offensiven militärpolitischen Leitlinien anzupassen.« Hinzu kommt: »Mit § 6c des vorliegenden Gesetzentwurfes wollen Sie den Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland vorbereiten. Sie weisen Reservistinnen und Reservisten entsprechende Aufgaben zu. Sie wissen: Im Gegensatz zur CDU/CSU halten wir Inlandeinsätze der Bundeswehr für grundgesetzwidrig. Sie wären obendrein fachlich falsch, politisch sind sie es ohnehin.«

Mehr als zwei Jahre später meldet die Bundeswehrzeitschrift »Y«: »Seit Jahresbeginn stellt sich die Bundeswehr in der Fläche der Republik neu auf.« Sie zitiert Minister Franz Josef Jung: »Die flächendeckende Einführung der Zivilmilitärischen Zusammenarbeit im Inland stellt sicher, dass die Bundeswehr in unsrer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann.«

Wenn in wenigen Monaten eine Reservearmee von 5000 Personen, bestehend aus innerhalb einer Stunde bereitstehenden Reserveoffizieren und -unteroffizieren aus dem Bereich des Öffentlichen Dienstes aus dem Boden gestampft wird, die Zugriff auf Hunderttausende weitere Reservisten hat, – und das ist unter der Überschrift Transformation der ZMZ aus der Zeit der Blockkonfrontation in die Zeit der Armee des Einsatzes geschehen -, dann sollten Friedens- und Gewerkschaftsbewegung das erörtern und nicht länger vernachlässigen.

ZMZ galt früher in starkem Maße als die Verbindung von Bundeswehr zum Zivilschutz, der jetzt aber völlig auf Null gefahren wurde. Heute wird ZMZ als Instrument angesehen, um die Reservisten sowohl in internationale als auch in nationale Einsätze einzubeziehen. Das ist ein gewaltiger quantitativer und qualitativer Unterschied, denn bis 1989 wurden Reservisten allenfalls zu Übungen geholt, nie zu Einsätzen. Es gibt nun aber bereits die ersten toten Bundeswehrangehörigen in Afghanistan, die aus dem Reservistenkader kamen.

Die Zeit der großen Übungen und Manöver ist vorbei. Die Armee im Einsatz probt in Afghanistan, am Horn von Afrika, vor der libanesischen und israelischen Küste. Und die ZMZ Inneres findet statt in Heiligendamm und Kehl.

Wenn wir genau hinsehen, bemerken wir die Regellosigkeit und Gesetzlosigkeit des Militärischen im heutigen Deutschland. Möglichst alles wird im Vagen, im Undeutlichen gehalten. Heribert Prantl schrieb am 12.5.09 in der Süddeutschen Zeitung über das Grundgesetz: »Nichts von dem, was die Bundeswehr heute macht, ist dort zu finden. Dort ist sie immer noch Verteidigungsarmee. Schleichend und ohne Verfassungsänderung ist die Bundeswehr in eine Kriseninterventionsarmee verwandelt worden. Das Grundgesetz ist der blinde Spiegel der Bundeswehr: Sie schaut hinein und sieht sich nicht. Die Tätigkeit der Truppe und ihre Aufgabenbeschreibung im Grundgesetz haben nichts mehr miteinander zu tun. Das Grundgesetz aber muss Leitfaden sein für jeden Staatsbürger – auch für den in Uniform.«

Das Grundgesetz wieder herzustellen, das wäre eine wichtige Aufgabe. Der Bundeskongress der VVN-BdA beschloss daher 2008: »Das Völkerrecht verbietet, entsprechend der UNO-Charta Artikel 53 und 107, Deutschland das Kriegführen. Das Grundgesetz mit seinem Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen (Artikel 26) und das Völkerrecht sind zu verteidigen und anzuwenden.« Und ein Grundgesetz ohne Wehrpflicht müsste wieder hergestellt werden.

Die Wehrpflicht wird zwar von vielen abgelehnt. Die CSU, immerhin eine Regierungspartei, setzt sich jedoch laut Parteitagsbeschlüssen für die Weiterentwicklung der Wehrpflicht zu einer »sicherheitspolitisch begründeten Dienstpflicht« ein, die auch bei der Polizei oder im Katastrophenschutz abgeleistet werden soll. Ein CSU-Sprecher: Es müsse die »unerlässliche Wehrpflicht an die neuen Risiken für die innere und äußere Sicherheit angepasst werden.« Ein solcher Dienst sollte auch den Zivil- und Katastrophenschutz umfassen.

Bis zur »Transformation« gab es 4,3 Millionen Reservisten bis 45 Jahren, nun kamen 800.000 zwischen 45 und 60 Jahre dazu. Das Potential, auf das die Bundeswehr kurzfristig – d.h. nach einer Auffrischungsübung – zurückgreifen kann, wurde also um knapp eine Million erhöht. Die Zahl derer, die in der Bundeswehr als Soldat gedient haben, noch der Wehrüberwachung unterliegen und verwendungsfähig sind, liegt bei acht bis neun Millionen Männern und Frauen. Zu Einsätzen werden jene Reservisten geholt, die bereits Reserveübungen hinter sich haben, das sind 1,1 Millionen. Um diese Zahl kann die Bundeswehr kurzfristig vergrößert werden. Sie kommt zu den rund 250.000 Soldaten, darunter 40.000 Grundwehrdienstleistende und 25.000 freiwillig länger Wehrdienstleistende, hinzu, die derzeit das »stehende Heer« stellen.

Jung sagt laut »Y« 2/08: »Reservistinnen und Reservisten bleiben integraler Bestandteil der Bundeswehr.« Auch die Einsatzarmee bleibe auf Reservisten angewiesen. Sie seien, so im Kommentar von »Y« weiter, vor allem auch als Mittler zur Gesellschaft gefordert. »Die gemeinsame Anstrengung gegen das ‚freundliche Desinteresse‘ der Gesellschaft ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe für die Reservistinnen und Reservisten der Bundeswehr,« erklärt Generalleutnant Johann-Georg Dora, Stellvertreter des Generalinspekteurs für Reservistenangelegenheiten.

Das »freundliche Desinteresse« macht der Generalität Sorgen. Wer sich die Mühe macht, die offizielle und offiziöse Literatur der Bundeswehr zu studieren, der bemerkt: In jüngster Zeit werden darin Themen behandelt wie:

Der Einfluss des Militärs auf die Demoskopie und damit auf die öffentliche Meinung. Die Darstellungen über die Meinungen zu Afghanistan lassen den Militärs keine Ruhe. Es wird nachgewiesen, dass die EU-Bürger eine Führungsrolle der EU im Weltmaßstab wünschen (if 4/08), und die Deutschen nur zu 55 Prozent den Rückzug aus Afghanistan wollen (if 3/08). Absichtsvoll wird Vance Packard zitiert: Demoskopie ist die »Kunst, Dinge herbeizuführen, indem man sie voraussagt.«

Wie bekämpft das Militär die Abrüstungsrhetorik Barak Obamas – dies besonders auf atomaren Gebiet? (»Y«, Mai 09). Der Traum Obamas von der atomaren Abrüstung wird als »Albtraum« diffamiert.

Weiterhin wird erörtert: Wie erreicht die Truppe Straffreiheit bei Gewalttaten der Soldaten? »Wann darf ’scharf‘ geschossen werden?«, fragt z. B. die Zeitschrift »Y« (4/09)die Rechtsberater der Bundeswehr. Für Kriegsverbrecher aus der Wehrmacht, die zur Bundeswehr kamen, wurde im Laufe der Zeit Straffreiheit erreicht. Das soll nun auch in heutigen Auslandseinsätzen so sein. Dazu ein Zitat eines Bundeswehrgenerals a.D. aus »Gebirgsgruppe« vom Dezember 2008: »In der öffentlichen Meinung gilt heute bei uns jeder bereits als schuldig, dem eine Beteiligung an der Partisanenbekämpfung im letzten Weltkrieg vorgeworfen wird, während unsere Alliierten längst die Vorschriften und Erfahrungen der Deutschen auswerten und zu Rate ziehen für ihren aktuellen ›Kampf gegen den Terror‹.« Erinnert sei an die »Taschenkarte«, die den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan nunmehr den Angriff und nicht nur das Zurückschießen erlaubt.

Die Bundeswehr kommt beim Einsatz im Innern durch die Hintertür und auf leisen Sohlen heran. Ein Heimatschutz nach amerikanischem Vorbild wird aufgebaut und soll »Seite an Seite« mit den zivilen Behörden in Stadt und Land agieren. Im Artikel 35 des Grundgesetzes ist für den Einsatz der Bundeswehr im Innern nur vorgesehen: »Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall« (Artikel 35, Absatz 2). Von Hilfe bei Polizeiaufgaben und »Großschadensereignissen« ist da nicht die Rede. Dennoch wird mit dem schwammigen Begriff »Terroranschläge« gearbeitet, der die Reservisten zu Hause in Massen zur Waffe greifen lassen soll.

Das Zauberwort heißt Zivil-Militärische-Zusammenarbeit Inneres (ZMZ-I). SPD und Grüne haben mit dem kaum beachteten Gesetz gute Vorarbeit geleistet. Allerdings hat es Rot-Rot – und auch dies ist weitgehend unbekannt – auch getan. In Mecklenburg-Vorpommern mit dem Polizeigesetz von 2006 – rechtzeitig zum G8-Gipfel von Heiligendamm. Ein weiterer Sündenfall war zu Zeiten der Vogelgrippe die Anforderung der Bundeswehr durch die Rügener Landrätin, die ebenfalls der Linken angehört.

Wer bisher nach seiner aktiven Dienstszeit noch als Reservist tätig war, der tat es in der Regel freiwillig. Nun kann das anders werden. Bundesweit wurden bis zum Sommer 2007 ZMZ-«Kommandos« eingeführt, sie sind nun einsatzfähig. Sie spielen dann bei Katastrophenabwehr und »Gefahrenlagen« die erste Geige, an der Seite von Feuerwehr, THW und Sanitätsdiensten und der regulären Polizei. Insgesamt wurden 429 zwölfköpfige Verbindungskommandos zu Landkreisen, davon 116 zu kreisfreien Städten geschaffen. Die Bundeswehr hat zudem wichtiges Material, wie Pioniergerät und Sanitätsmaterial, an einzelnen Standorten konzentriert.

Organisatorisch liegt die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden in den Händen erfahrener Reserveoffiziere. Zwischen 30 und 50 Tagen im Jahr umfasst deren Tätigkeit im Zusammenhang mit ZMZ. Als wesentlicher Vorteil der Reservisten wird die meist langjährige Stehzeit am Ort angesehen, der oft zugleich Heimatort ist. Damit geht einher die Ortskenntnis und das Wissen um die Strukturen einer Region. Gepaart mit militärischer Ausbildung entsteht so »ein wertvolles Bindeglied zwischen ziviler Verwaltung und Bundeswehr«, so die Bundeswehr-WebSite.

Die ZMZ wirkt sowohl innerhalb Deutschlands als auch bei Einsätzen der Bundeswehr im Ausland, heißt es dort weiter. »ZMZ schließt die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und anderen nicht-staatlichen Organisationen sowie internationalen Organisationen ausdrücklich ein« und »richtet sie heute vor allem an neuen gesamtstaatlichen übergreifenden Sicherheitskonzepten aus.« Deutlicher kann der militärische Charakter von ZMZ nicht ausgedrückt werden. Schließlich sind auch die Ausbildungsorte für die Reservisten bezeichnend. Der Reservist soll »durch Schulungen, insbesondere an der ‚Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr’« die »erforderliche Kenntnis erlangen.«

Die Bundesregierung erklärte nach Heiligendamm, die dort stattgefundenen Einsätze seien rechtmäßig gewesen. Sie geschähen per »Amtshilfeersuchen« ziviler Behörden nach Artikel 35 des GG. Solche Amtshilfeersuchen müssten auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden, wenn »die Amtshilfe von verfassungsrechtlicher Bedeutung ist.« Das sei »regelmäßig der Fall, wenn Polizeibehörden der Länder die Bundeswehr anfordern.« Die Prüfung muss nun nicht etwa durch das Verfassungsgericht oder den Bundestag erfolgen, sondern, so die Bundesregierung, sie erfolge durch die Abteilung Recht im Verteidigungsministerium. Polizei und Bundeswehr genehmigen sich damit gegenseitig die Verfassungsbrüche. Der Befehlshaber des Wehrbereichskommandos hatte im Falle Heiligendamm den Antrag als »zulässig nach Artikel 35 Grundgesetz« beurteilt und seine Durchführung angeordnet.

Der Abbau der Freiheitsrechte, wie er sich hier äußert, wird allgemein mit dem Krieg gegen den Terror begründet, der von außen in unser Land getragen werde. Bundesinnenminister Schäuble malt sogar »nukleare Angriffe« mit schmutzigen Bomben auf unser Land an die Wand, um sein Ziel zu erreichen, z.B. durch Onlinedurchsuchungen flächendeckend Freiheitsrechte abzubauen. Minister Jung will eine Grundgesetzänderung erzwingen, um die Bundeswehr auch zum Kriegführen im Innern des Landes legal einsetzen zu können – und wenn dieser Verfassungsbruch nicht erlaubt wird, dann werde man eben den »übergesetzlichen Notstand« ausrufen, um gegen die Verfassung zu handeln, z.B. verdächtige Flugzeuge abzuschießen.

Ausdrücklich heißt es in Bundeswehrpublikationen, die Bundeswehreinsätze im Innern dienten nicht nur der Bekämpfung von Naturkatastrophen und der Hilfe bei Unglücksfällen, sondern auch dem Kampf gegen den Terrorismus, worunter vielerlei verstanden wird (lt. Information für die Truppe 3/2002 heißt der Kampfauftrag: Gegen »Chaosgruppen wie z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner«). Ein Foto in der »Europäischen Sicherheit« 2/2007 zeigt »Soldaten des JgBtl 292 bei der Ausbildung gegen Demonstranten«; die Demonstranten haben Arbeitskleidung an.

Mit der Reservistenbewegung entstehen neue Wirkungsmöglichkeiten, – zusätzlich zu den vorhandenen- für das Wirken alter und neuer Rechtsextremer in der Bundeswehr. In rund fünf Millionen Familien gibt es Reservisten, zu denen die Bundeswehr möglichst laufend Kontakt hält. Die militaristischen Traditionsverbände und die Reservistenverbände erhalten zunehmend Gewicht – und Geld der Steuerzahler. Zur militaristischen Massenbasis beitragen soll auch die Aufwertung des Soldatenberufs: Schönere Uniformen sind geplant, eine neue Tapferkeitsmedaille wurde erstmals verliehen, eine zentrale Grabstätte und Ehrenmal in Berlin wurde geschaffen. Und die Besoldung wird verbessert. Junge Leute, die sonst auf Hartz IV sitzen blieben, werden mit Geld in die Bundeswehr gelockt. Das geht soweit, dass Rekruten Foltermethoden erlernen und Folterungen erleiden, um ja nicht der Schlusszahlung verlustig zu gehen.

Es waren die Feuerwehrleute – nicht die Gewerkschaften -, die warnten: »Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstruktur des Hauptverantwortlichen Beamten (Dies sind Landrat oder Bürgermeister, US) ist zu beachten, dass die Bundeswehr zwar wertvolle Katastrophenhilfe leisten kann, jedoch keinesfalls Führungsfunktionen im Katastrophenschutz übernehmen darf.« So heißt es in einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in NRW vom 20.2.08. Noch deutlicher geht es gegen die Reservistenverbände: »Bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gefahrenabwehrstrukturen des jeweiligen HBV ist präzise zwischen der Funktion des ‚Beauftragten der Bundeswehr für die zivil-militärische Zusammenarbeit‘ (BeaBwZMZ), welche durch einen Reservisten der Bundeswehr wahrgenommen wird, einerseits und den Reservistenverbänden andererseits zu unterscheiden. Eine Einbindung der Reservistenverbände (als ‚e.V.‘) in die Gefahrenabwehr kann nicht in Betracht kommen.«

Es bildet sich eine integrierte Struktur der Sicherheitskräfte heraus, wie es sie zuletzt in der Zeit vor 1945 gegeben hat. An der Spitze sieht die dazu gehörige Struktur folgendermaßen aus: Geschaffen wurde das »Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum« (GTAZ) in Berlin-Treptow mit Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Kriminal- und Verfassungsschutzämtern der Länder, Bundespolizei, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst, Generalbundesanwalt und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Noch 2003 lehnte der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach eine solche Zentralisierung des Sicherheitsapparats aus »historischen und rechtspolitischen Gründen« ab; die »Assoziation mit dem Reichssicherheitshauptamt« der Nazizeit sei zu naheliegend. Doch die Zentralisation schreitet voran: Die Einsatzführungsstäbe der Bundeswehr wie der Bundespolizei sind nunmehr in Potsdam angesiedelt, noch in unterschiedlichen Immobilien. 40.000 Bundespolizisten werden seit einigen Wochen aus einer zentralen Kommandostelle in Potsdam befehligt. Die Polizei wird dem Militär ähnlicher und das Militär wird der Polizei angepasst. Ist sie vielleicht doch schon da – die Transformation der Gesellschaft hin zum neuen Militarismus?

Noch kann diese Entwicklung abgewendet werden. Die VVN-BdA beschloss im Mai 2008 auf ihrem Bundeskongress in Berlin »die Wiederherstellung des antifaschistischen und antimilitaristischen Konsenses.« In der Resolution heißt es: »Die Verpflichtung ‚Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus‘ mit ihren beiden Seiten ist wiederherzustellen. (…) Vor allem in drei Bereichen gefährdet die Politik der Bundesregierung eine friedliche Entwicklung unseres Landes: Es sind die Auslandseinsätze der Bundeswehr, das Festhalten an der Teilhabe Deutschlands an Atomwaffen im Rahmen der NATO und die innerstaatliche Aufrüstung und Militarisierung.« Statt »Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – auch unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus« zuzulassen gelte es, so die VVN-BdA, »die Demokratie und die Menschenrechte« zu verteidigen. »Gegen die Militarisierung ist die Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht zu setzen, und jede neue Form von Zwangsdiensten à la CSU ist entschieden zurückzuweisen.«