No Pasaran!

geschrieben von Enrico Hilbert

5. September 2013

Aktives Gedenken an die Gründung der Internationalen Brigaden in
Spanien

Sept.-Okt. 2011

Im Februar diesen Jahres hielten Zehntausende Menschen unter Nutzung gewaltfreier Mittel die Neonazibewegung Europas davon ab, in der sächsischen Landeshauptstadt aufzumarschieren. Sie setzten sich dabei auch gegen die Sonntagsdemokraten in Regierung und Verwaltung aus Dresden durch. Ziviler Ungehorsam war das Gebot der Stunde! Dieser Kampf ist freilich noch nicht beendet, er wurde und wird geführt unter der Losung »No Pasaran!« – Sie kommen nicht durch!

Vor 74 Jahren kämpften in einer Auseinandersetzung auf Leben und Tod unter der gleichen Losung die Bataillone der Internationalen Brigaden an der Front des Flusses Jarama und wurden zu Helden der Verteidigung von Madrid. Seit dem Putsch im Juli 1936 gegen die Republik waren unzählige Antifaschisten aus aller Welt dem spanischen Volk zu Hilfe geeilt. Erstmals in der Geschichte waren Afroamerikaner aus den USA gleichberechtigte Kämpfer für eine gerechte Sache und kommandierten Züge und Bataillone, deutsche Kommunisten lagen Seite an Seite mit Sozialdemokraten, Sozialisten und Anarchisten in den Schützengräben der iberischen Halbinsel. Aus 52 Ländern kamen die Interbrigadisten und die Bande der aufrichtigen Freundschaft, der Verbundenheit und des andauernden gemeinsamen Engagements halten bis heute, sind so fest, dass sie auf die Nachgeborenen, die Kinder, Enkel und Urenkel übergegangen sind.

No Pasaran! bindet auch 2011 über die Grenzen der Länder und Kontinente. In Chemnitz eröffnete die Bürgermeisterin für Kultur im Januar, anlässlich des Tages der Opfer der Nazidiktatur, eine Ausstellung über den Spanischen Bürgerkrieg. Auf den Spuren der Jarama-Schlacht befanden sich im Februar Freunde und Kämpfer der Spanischen Republik aus der Bundesrepublik, aus Großbritannien, Irland, aus Spanien und Frankreich auf dem jährlich stattfinden Marsch entlang des Flusses. Erstmals gedachten sie der deutschen Kämpfer. An einer der Ehrungen nahm der Botschafter Irlands teil. Dabei war der Tenor der Manifestation nicht auf die Geschehnisse der Vergangenheit beschränkt, auch der Kriegseinsatz der Nato in Libyen und die zunehmende soziale Ungerechtigkeit auf der Welt wurden thematisiert.

In der Gedenkstätte Buchenwald gedachten die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald Dora und Kommandos e.V. gemeinsam mit dem KFSR e.V. des Widerstandskämpfers Walter Krämer und der republikanischen Spanier im Lager. In Hamburg konnte einer der letzten Interbrigadisten aus Österreich, Gert Hoffmann, zu einer antifaschistischen Hafenrundfahrt begrüßt werden. International spielen außerdem seit einem Jahr die Vorbereitungen des 75 Jahrestages der Formierung der Internationalen Brigaden und der Verteidigung der Spanischen Republik eine große Rolle und sind ein wichtiger Teil der internationalen Beziehungen von FIR und VVN-BdA. Insbesondere nach dem Rechtsruck bei den lokalen Wahlen und den Problemen, die die vorgezogenen Zentralwahlen in Spanien mit sich bringen, sind diese nicht unkompliziert. So entfällt ein Empfang der letzten Interbrigadisten in der Cortes. Doch andere Veranstaltungen finden wie geplant statt.

Im Oktober werden sich Delegationen aus zahlreichen Ländern in Madrid, Albacete und Barcelona treffen. Dabei soll nicht nur den Gefallenen die Ehre erwiesen, sondern die internationale Koordinierung gefestigt werden, um der Zukunft eines freien, friedlichen und sozialen Europas willen. Grundlage ist für alle der Antifaschismus – als Humanismus in Aktion. Die Organisationen in Deutschland haben im Vorfeld selbst auch noch eine internationale Veranstaltung vorbereitet. Unter dem Motto »Eine andere Welt war immer möglich!« findet in Berlin das 13. Internationale Sommertreffen der Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik statt. Unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung soll es an drei Tagen um Fragen des Woher und Wohin einer gemeinsamen Bewegung gehen, die auf den Idealen des Kampfes in Spanien beruht.

Bleibt die Hoffnung, dass No Pasaran! weiter eint im Kampf für eine gerechte Welt und es irgendwann die Chance gibt für: Pasaremos! (Wir kommen durch!)

No pasarán

geschrieben von Klaus Bartl

5. September 2013

Sie kamen nicht durch!

März-April 2010

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag sowie deren verfassungs- und rechtspolitischer Sprecher

Elf Jahre lang marschierten Neonazis in immer größer werdender Zahl zum 13. Februar durch Dresden. Elf Jahre lang schauten Dresdnerinnen und Dresdner mehr oder weniger hilflos zu, wie die Übriggebliebenen und Nachkommen jener, die die ungeheure Dimension der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges mit der Zerstörung großer Teile von Dresden als einer Konsequenz faschistischen Weltmachtstrebens zu verantworten hatten, das Bild des Tages bestimmten.

Dieses Mal, am 13. Februar 2010, war vieles anders. Sie waren wiedergekommen, die alten und neuen Nazis aus der ganzen Bundesrepublik und weiten Teilen Europas. Die Polizei gab deren Zahl mit ca. 6.000 an, die Nazis selbst, voran der NPD-Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag, Holger Apfel, schwadronierten von 10.000 Gesinnungsgenossen.

Egal. Den Neonazis standen im Nahbereich des Versammlungs- und Aufmarschraums um den Neustädter Bahnhof in Dresden fast 15.000 Aktivistinnen und Aktivisten des Bündnisses »Dresden Nazifrei« gegenüber, die trotz Kälte sitzend und stehend aus allen Altersgruppen und unterschiedlichen politischen und sozialen Spektren, aus ganz verschiedenen Bundesländern, auch aus Polen und Tschechien kommend, eines einte: der antifaschistische Ansatz, der Entschluss, die Nazis zu blockieren. Und diese waren dann auch zum blanken Herumstehen auf dem Vorplatz des Neustädter Bahnhofs verdonnert, was allerdings schon für sich allein eine Ungeheuerlichkeit darstellt, angesichts der Tatsache, dass dieser Bahnhof, dereinst durch ihre braunen Vorgänger als Sammelstelle zur Deportation jüdischer Menschen genutzt wurde.

Frierend, schlecht gelaunt und im Nachhinein über ihre eigene Führung voller Wut, der sie vorwarfen, sie habe »die Kameraden in die Falle laufen lassen« war 17 Uhr das Debakel perfekt. Der braune »Trauermarsch« fiel aus.

Zu verdanken war dies zuerst der Courage jener 15.000, die trotz aller Repressalien und Kriminalisierungsversuche seitens der von der schwarz-gelben Koalition in Sachsen regierten Staatsmacht, vor allem der Dresdner Staatsanwaltschaft, an den klug ausgewählten Orten der von vornherein strikt auf Friedlichkeit angelegten Blockade erschienen. Das soll nicht den Wert der auf Aufruf der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) im Altstadtgebiet rund um das Terrain der Frauenkirche gebildeten Menschenkette schmälern, denn auch dies war für Dresden, das sich in den vergangenen Jahren vom braunen Spuk so viel gefallen ließ, eine beachtliche Leistung.

Zu würdigen bleibt auch, von mir selbst an der Seite von Bodo Ramelow als spontan beauftragtem »Unterhändler« des Blockadebündnisses in direkten Gesprächen mit dem Leiter des Polizeieinsatzes im Bereich des Neustädter Bahnhofes erlebt, eine beachtliche Kooperativität, Besonnenheit und auch Deeskalationsbereitschaft der in Dresden agierenden ca. 5.540 Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet.

Ob dies so geplant war, wie sich der Sächsische Polizeipräsident, Bernd Merbitz, am späten Nachmittag des 13. Februar den Anschein gab, sei dahingestellt. Wenn aber zum Beispiel an der Hansastraße, keine 200 Meter entfernt vom Neustädter Bahnhof – der Straße, über die die Nazis zuerst aufmarschieren sollten – bereits um 9.00 Uhr tausende Antifaschisten aus den verschiedensten Teilen der Bundesrepublik eintrafen, vornan nahezu alle Mitglieder der Fraktionen der Linken im Landtag von Sachsen, von Thüringen und Hessen, zahlreiche Bundestagsabgeordnete der Linken, auch Mitglieder der Linken im Europaparlament, waren die polizeilichen Reaktionsalternativen von vornherein überschaubar.

»Hätten sich die Blockaden nicht als erfolgreich erwiesen, hätte auch die Menschenkette keinen Erfolg gehabt«, würdigte kein geringerer als der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, das Engagement der Blockadeteilnehmer.

Was nun befremdet, ist, dass gut eine Woche nach der Abweisung der Nazis wieder jene das Wort führen, denen der angesagte zivile Ungehorsam zur Unterbindung des Naziaufmarsches von Beginn an ein Dorn im Auge war. Der Chemnitzer Politikprofessor Eckhard Jesse etwa, ein sattsam bekannter Vorkämpfer der Totalitarismusdoktrin, der sich medial empört, die Teilnehmer der Sitzblockaden hätten sich über Recht und Gesetz hinweggesetzt. Da ist eine Dresdner Oberbürgermeisterin, die sich zum Zorn nahezu aller in ihrer Pressekonferenz anwesenden Journalisten stoisch weigert zuzugeben, dass es die friedlichen Blockaden waren, die den Marsch der tausenden Neonazis durch Dresden verhinderten. Da fehlt jedes Wort des Eingeständnisses aus der CDU-FDP-Regierung und -Landtagsfraktion, dass sich ihr eigens im Vorfeld des 13. Februar als »lex Dresden« zusammengezimmertes neues sächsische Versammlungsgesetz als blanker Schuss in den Ofen erwies. Keinen einzigen Nazi hat es aufgehalten.

Da sind weiter die Verlautbarungen in den Medien, dass die Staatsanwaltschaft Dresden daran geht zu prüfen, gegen wen aus dem Kreis der tausenden Blockierer nun Ermittlungsverfahren wegen vermeintlich strafbarer Verletzung des Versammlungsgesetzes oder Anstiftung zum Begehen einer Straftat eingeleitet oder fortgesetzt werden müssten.

Und da sind die sich in bestürzender Weise mehrenden Anzeichen, dass sich die Neonaziszene in Sachsen noch allemal stark genug wähnt, nun mit militantem Terror gegen ausgewiesene Antifaschisten vorzugehen. Ein exemplarisches Beispiel dafür: der offenkundig aus Nazikreisen heraus verübte Brandanschlag auf das Auto des Kreisgeschäftsführers der Linken Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Lutz Richter, in der Nacht vom 19. Februar. Schließlich auch die Ankündigungen der Nazis, quasi Rache zu nehmen, möglichst schon im Rahmen eines von ausgewiesenen Vertretern der Szene für den 5. März angemeldeten »Trauermarsches« in Chemnitz, das just an diesem Tag vor 65 Jahren schweren Bombardements der Alliierten ausgesetzt war. Nun darf Chemnitz nicht allein stehen, wie generell der Erfolg von Dresden, der praktizierte Widerstand gegen Nazis nur eine Zwischenetappe sein kann. Kein Anlass also zur Selbstzufriedenheit und Atempause.

Am 5. März in Chemnitz und wann immer an anderer Stelle, wo Neonazis aufmarschieren wollen, muss, wie es die Süddeutsche Zeitung in einem am 15. Februar erschienen Beitrag formulierte, »ein menschlicher Schutzwall gegen Neonazis« funktionieren. Nirgends dürfen sie durchkommen!