Rechtsruck in Schweden

geschrieben von Daniel Poohl für Expo in Stockholm

5. September 2013

»Nadelstreifenfaschisten« der SD zogen in den Reichstag ein

Nov.-Dez. 2010

Wir danken der Zeitschrift »-Searchlight« für die Genehmigung zur Übernahme des Beitrags.

Aus dem Englischen übersetzt von Stephan Feldhaus

Die rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) sind am 19. September erstmals bei einer Wahl mit 20 Sitzen in den schwedischen Reichstag eingezogen. Die 5,7 % der rassistischen Partei in einem Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse haben die schwedische Politik in Aufruhr versetzt und sorgen für erhebliche Spekulationen über die mögliche Zusammensetzung der nächsten Regierung. Innerhalb von Stunden wurde der Erfolg der SD mit Protestkundgebungen von Zehntausenden von Antirassisten in Stockholm, Göteborg und Malmö beantwortet.

Das scheidende Mitte-Rechts-Bündnis, geführt vom Führer der konservativen Gemäßigten Sammlungspartei, Frederik Reinfeldt, errang trotz seiner drastischen Kürzungs- und Sparpolitik 172 der 349 Parlamentssitze und versuchte bei Drucklegung von Searchlight, eine Koalition mit den Grünen zu bilden. Derzeit bilden die Grünen ein Bündnis mit den Sozialdemokraten, die nur 113 der 157 Sitze des Blocks errangen. Dies ist seit 1914 das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten, die Schweden in 65 der letzten 78 Jahre regiert haben. Es versieht die Zukunft ihrer Chefin Mona Sahlin mit einem Fragezeichen. Beide Bündnisse haben Stimmen an die SD verloren, die ihren Wahlkampf auf Islamfeindlichkeit und die Anstachelung von Vorurteilen gegenüber Immigranten und der EU gestützt hatten. Die SD werden von Jimmie Åkesson geführt, einem 31jährigen mit dem Charisma eines Telefonbuches.

Seine erste Verlautbarung war eine überambitionierte Offerte »Jetzt-bereit-zur-Regierungsübernahme« für eine Zusammenarbeit mit Mitte-Rechts. Das Ergebnis ist ein gewaltiger Erfolg für seine Partei, die sich seit 1988 um Zugang zu den Korridoren der Macht und zu staatlicher Finanzierung bemüht. Obwohl die Monate vor der Wahl durch Skandale und Enthüllungen über fortbestehende Verbindungen zwischen den SD und der Nazi-Bewegung gekennzeichnet waren, stimmten noch nie da gewesene 330.000 Menschen für die SD, beinahe eine Verdopplung gegenüber den 167.000 Stimmen von 2006.

Etwa 14 % der 9,4 Millionen Einwohner Schwedens sind Immigranten, davon die meisten aus Finnland und anderen EU-Staaten, doch waren es die Immigranten aus dem Nahen Osten, Südeuropa und Afrika, besonders Moslems, die als Zielscheibe der beleidigenden Propaganda der SD herhalten mussten. Flugblätter forderten »Gebt uns Schweden zurück!«, und ein Wahlwerbespot zeigte einen älteren Rentner, der von Kinderwagen schiebenden Frauen in Burkas in einem Rennen um Sozialleistungen überholt wird. Diese rassistischen Gedanken werden von einer genügenden Zahl Menschen geteilt, um die SD ins Parlament zu bringen. Sie wählen die Partei nicht trotz ihrer Islamfeindlichkeit und ihres Rassismus‘, sondern genau deswegen. Im letzten Jahr fand eine Untersuchung der Universität von Göteborg heraus, dass 36 % der Befragten es bevorzugen würden, »weniger Flüchtlinge aufzunehmen«, und 12 % wären nicht »einverstanden, wenn ein Immigrant aus einem anderen Teil der Welt in die eigene Familie einheiraten würde«. Dies ist die Wählerbasis der SD. Die SD präsentieren sich als eine Alternative zum »Establishment«, als der Außenseiter, der die Mainstream-Parteien herausfordert, die angeblich nicht voneinander unterscheidbar sind und von einer weit verbreiteten Unsicherheit infolge der weltweiten Rezession zehren. Die Antwort der SD ist einfach: Alles auf die Immigranten und Moslems schieben.

Ebenso waren die SD darin erfolgreich, Wähler davon zu überzeugen, dass sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt haben, um so im Ergebnis die Angriffsfläche für die Gegner zu verringern. Sie wurden auch durch gewachsene fremdenfeindliche und rassistische Aktivitäten im Internet gestützt.

Es gab eine Lücke in der schwedischen Politik für eine Partei, die Einwanderung begrenzen oder beenden möchte, und diese haben die SD gefüllt.

Der beunruhigende Aspekt ist nicht die neue parlamentarische Präsenz der Partei als solche, sondern die weite Verbreitung der Ansichten, die sie dorthin gebracht haben. Als wenn der Aufschwung der Nadelstreifenrassisten von den SD nicht schon schlimm genug wäre, erreichten die Hardcore-Nazis der Partei der Schweden (SvP), die ehemalige Nationalsozialistische Front, 2,8 % der Stimmen bei einer Gemeindratswahl in Grästorp in Westschweden und damit einen Sitz. Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass in Schweden eine offen nationalsozialistische Partei ein Wahlmandat erhält.

Die faschistischen Nationaldemokraten, die im letzten Monat Gastgeber des Führers der British National Party, Nick Griffin, waren, erzielten ein belangloses Votum bei der Parlamentswahl. Jedoch behielt die Partei, die sich 2001 von den SD abgespalten hatte, ihren Gemeinderatssitz in Nykvarn und ihre beiden Sitze in Södertälje.