Rockmusik als Einfallstor

geschrieben von Uwe Hiksch

5. September 2013

Rechte Bands befördern faschistische Ideologie

Nov.-Dez. 2008

Der Begriff Rechtsrock wird heute als Sammelbegriff für sehr verschiedene Musikrichtungen und -stile verwandt, deren verbindendes Element völkische, rassistische, nationalistische oder antisemitische Texte oder Bilder sind. Die Anfänge des heute europaweit verbreiteten Rechtsrocks gehen auf die 70er-Jahre in Großbritannien zurück. Damals wurde unter dem Einfluss der Nationalen Front versucht, die Skinheads zu politisieren. Dieses subproletarische Milieu sollte für die Kämpfe der extremen Rechten erschlossen werden. Anknüpfend an die sich immer weiter kommerzialisierende Punk-Musik, entstand eine eigene »weiße Musik«. Einer ihrer Hauptakteure war Ian Stuart Donaldson, Bandleader der 1977 zunächst als Punk-Band gegründeten Musikgruppe »Skrewdriver«, die sich der Skinhead-Bewegung zuwandte und diese maßgeblich prägte.

Über 1.000 Besucher wurden Ende Oktober in Mallentin bei einem Rechtsrock-Konzert gezählt. Gleichzeitig wurde in Bayern ein Rechtsrock-Konzert mit mehr als 100 Teilnehmern aufgelöst. Alltag in Deutschland. Musik ist für die rechte Szene zu einem wichtigen Werbefaktor und einem Einstiegstor für die Verbreitung von rechtem Gedankengut geworden. Rechte Musik ist heute schon lange keine Nischenmusik mehr. Rechtsrock hat sich zu einer eigenständigen Jugendkultur mit vielfältigen Anknüpfungspunkten an die Mainstreammusik entwickelt. Rechtsrock, auch als »RAC« (Rock Against Communism) bekannt, boomt. Der Wirtschaftsbereich Rechtsrock mit Dutzenden von Labels, Musikläden, Hunderten von Konzerten und florierenden Mailorders ist fest etabliert. In diesem Musikgenre werden Millionen Euro umgesetzt.

Rechtsrock ist heute nicht mehr nur die Musik der Skinhaeads mit ihren lauten aggressiven Beats und den brüllenden Stimmen. Heute haben sich in diesen Genre eine Reihe von Bands entwickelt, die ihr musikalisches Handwerk beherrschen. Bands wie Kraftschlag, Sturmwehr, Nordwind, Stahlgewitter oder Landser erreichen durchaus professionelle Qualität.

Als Stilrichtung ist der Hard-Rock weiterhin die dominierende Musikrichtung im Rechtsrock. Es gibt jedoch auch eine Reihe von Hatecore- oder Black-Metal-Bands. Die Musik der rechten Bands erinnert zum Teil an die traditionelle Rockmusik der frühen 80-er und 90-er Jahre. Ganz bewusst stellen sie sich als Erneuerer der Rockmusik dar, die nach deren Kommerzialisierung wieder authentische Musik anbieten. Ihre Texte reichen von offenen faschistischen und völkischen Aussagen bis zum Spiel mit Andeutungen. Nicht zuletzt hat das Verteilen der »Schulhof-CDs« durch NPD und freie Kameradschaften etlichen Bands zu größerer Bekanntheit unter Jüngeren verholfen. Bei diesem, im Jahre 2004 begonnenen Projekt, wurden CDs mit rechter Musik in Auflagen bis zu 50.000 Stück an Schulen verteilt.

Die Auflagenhöhe rechter CDs liegt heute zwischen einigen hundert und über 20.000. Durch die Möglichkeit, die Titel aus dem Internet herunterzuladen, hat sich rechte Rockmusik rapide verbreitet. Es gibt faktisch keine Titel und keine Band mehr, die nicht auf englischen oder US-amerikanischen Seiten zu finden sind. Selbst Stücke, die wegen antisemitischer oder rassistischer Inhalte in Deutschland verboten sind, lassen sich problemlos finden und herunter laden.

Rechtsrock ist heute auch ein Stück Mainstream. Auf Portalen wie »youtube« oder »last.fm« finden sich Bands wie »Deutsche Patrioten«, »die Lunikoff-Verschwörung«, »Division Germania«, »Noie Werte«, »Nordfront«, »Nordwind«, »Ragnaröck« oder »Sleipnir«. Viele Bands bestehen nur kurze Zeit oder werden immer wieder mit neuen Namen oder in veränderter Besetzung aktiv. Häufig umgehen sie damit staatliche Verbote. So ist »Lunikoff-Verschwörung« die neue Band von Michael Renger. Er war Sänger der als kriminelle Vereinigung verurteilten Band »Landser«.

Rechtsrock-Gruppen wie »Division Germania« glorifizieren in ihren Liedern den Zweiten Weltkrieg. »Nordfront« singt über »Autonome, Zecken und rote Ratten«. Gruppen wie »Hauptkampflinie«, »Sturmwehr« oder »Noie Werte« besingen Heldentum, Ehre, Treue und Nation. In den Texten dieser Bands werden Germanenkult und Elemente der völkisch-germanischen Mythologie glorifiziert. Es gibt inzwischen aber auch immer mehr Lieder, die gegen Kapitalismus und Globalisierung gerichtet sind. Zwischen 1990 und 2007 wurden mehr als 400 derartige Bands in Deutschland gegründet. Zusammen haben sie fast 1.400 CDs veröffentlicht. Anfang der 90er-Jahre vermarktete nur das Label Rock-O-Rama aus Köln rechte Musik. Heute konkurrieren über 50 Firmen, Vertriebe und Labels um den lukrativen Markt.