Spiegel der Gesellschaft

geschrieben von Janka Kluge

5. September 2013

Ein aktuelles Buch zum Thema Fußball und Nazis

Mai-Juni 2012

Ronny Blaschke »Angriff von Rechtsaussen« Verlag die Werkstatt, Göttingen, 224 S., 16,90 Euro

Der Sportjournalist Ronny Blaschke hat mit dem Buch »Angriff von Rechtsaussen – Wie Neonazis den Fußball missbrauchen« (Verlag die Werkstatt, 2011) ein spannendes und wichtiges Buch vorgelegt. Er geht darin der Frage nach, wie sich Neonazis den Fußball zu Nutze machen, um Einfluss zu gewinnen. In der Einleitung schreibt er: »In den Bundesligastadien sind die Auswirkungen von rechtsextremen Einstellungen zurückgegangen, dank moderner Sicherheitsarchitektur und professioneller Fanarbeit. Urwaldgesänge gegen schwarze Spieler sind nicht mehr zu hören. Reichskriegsflaggen nicht mehr zu sehen. Das bedeutet aber nicht, dass sich Einstellungen verändert haben. (…) Während Rassismus und Antisemitismus auch wegen der deutschen Geschichte tabuisiert sind, flüchten sich Anhänger oft in Homophobie oder Sexismus, Diskriminierungen, die weniger geächtet sind.« Das entspricht einer allgemeinen Tendenz, die auch Werner Heitmeyer von der Uni Bielefeld mit seiner Langzeitstudie »Deutsche Zustände« festgestellt hat. Es gibt zwar einen latent noch immer vorhandenen Antisemitismus, er taucht aber nicht mehr so deutlich in der Öffentlichkeit auf. Die neuen Feindbilder sind nun Muslime, Homosexuelle und vor allem Obdachlose. Dieser Trend in der Gesellschaft spiegelt sich auch in den Fußballstadien. Viele Nazis treffen sich mittlerweile bei den Spielen in den unteren Ligen. Das macht sie aber nicht weniger gefährlich. Im Gegenteil, in den kleineren Stadien und bei weniger Zuschauern fallen sie viel mehr auf und können so ihren Einfluss ausbauen.

Einen besonders heftigen Fall stellt die Unterwanderung des Vereins Lok Leipzig dar. »Die NPD macht sich im Umfeld des 1. FC Lok Leipzig einen rechten Grundtenor zunutze, den viele Fans im heimischen Bruno-Flache Stadion teilen«. So stellten sich Fans bei einem A-Jugend Spiel 2006 zu einem Hakenkreuz auf, oder zeigen schon einmal ein Transparent auf dem zu lesen ist: »Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten«. Der Autor Ronny Blaschke beschreibt, wie gezielt Nazis von den Kameradschaften und der NPD in den letzten Jahren Vereine unterwandert haben. In das Buch sind mehrere Hintergrundinterviews eingestreut, die er zu seinen Recherchen gemacht hat.

Einer der Interviewpartner ist Mehmed Matur, der Integrationsbeauftragte im Berliner Fußball. »Mehmet Matur glaubt, auf einem guten Weg zu sein. Bis Sommer 2010, bis Thilo Sarrazin sein Buch »Deutschland schafft sich ab« veröffentlichte. (…) Mehmet Murat spürt die Folgen nun im Fußball: `Mir läuft es kalt über den Rücken, das macht mir Angst. Wir bemühen uns seit Jahren um Integration, wir gehen viele kleine Schritte, und Herr Sarrazin macht diese Arbeit mit einem Buch zunichte. Bei vielen muslimischen Spielern und Trainern wächst die Sorge, die sagen sich erst recht: Wir haben es immer gewusst, in Deutschland wollte man uns sowieso nie haben« Diese Interviews sind neben den Fakten eine der großen Stärken des Buches.

In einem anderen Kapitel wird die Rolle der Vereine während des Faschismus untersucht. Sowohl der Deutsche Fußballbund, als auch die Vereine taten in der Vergangenheit so, als ob sich ihr Verhalten im Faschismus nicht geändert hätte. Obwohl Nils Havemann bereits 2005 sein Standardwerk »Fußball unter dem Hakenkreuz« veröffentlicht hat, hat sich seitdem kaum etwas getan. Überall, wo Vereine ihre Rolle im Nationalsozialismus aufgearbeitet haben, stand am Anfang der Druck der Fans. Die Geschichte von Bayern München ist bezeichnend. Auf der Internetseite des Vereins hätte man vergebens nach dem früheren Vorsitzenden Kurt Landauer gesucht. »Lange kannte kaum jemand seine Geschichte, dabei hat der Münchner Fußball ihm viel zu verdanken. Vielleicht würde der FC Bayern ohne Kurt Landauer heute gar nicht existieren. Fast 20 Jahre ist der Jude Landauer Präsident des FC Bayern gewesen. Unter ihm wurde der Verein 1932 zum ersten Mal Deutscher Meister. Landauer trat 1933 als Präsident zurück. Am 10. November 1938 wurde er in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. (…) Landauer konnte aus dem Lager entkommen und in die Schweiz flüchten.« Den Vorsitzenden des FC Bayern war die Geschichte ihres ehemaligen Kollegen kein Wort wert. Erst nachdem Fans über die Geschichte des Vereins zu forschen begannen, sah sich der Verein gezwungen, sich zu dieser Geschichte zu bekennen. Ein anderer Jude, der eine wichtige Rolle im deutschen Fußball spielte, war Walther Bensemann. Er hatte 1898 in Paris das erste Länderspiel Deutschlands organisiert. 1900 wurde er Mitgründer des Deutschen Fußball Bunds und gründete 1920 das Fußballmagazin »Kickers«. 1933 floh er in die Schweiz, wo er ein Jahr später mittellos starb. Vereine wie der VFB Stuttgart dagegen waren stolz auf ihre frühe Zusammenarbeit mit der SA und haben bereits 1933 alle jüdischen Spieler rausgeschmissen.